Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 20.1909

DOI Artikel:
Bachmann, Paul: Die Mietwohnung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7500#0080
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
64

INNEN-DEKORATION









M f

















1 *^









J

ARCHITEKT GEORG METZENDORK — BENSHEIM.

X X

Wohnküche mit Durchblick in die Schlafzimmer.

gelernt hat, sich in ihren künstlerischen Ausdrucksmitteln
zu mäßigen, und es ist erfreulich, daß die Dekorations-
malerei wieder als das, was sie sein soll — Flächen-
kunst — erscheint. Die Wand ist Fläche, und sie muß
als solche erscheinen, den Kontrast hierzu geben die
im Räume stehenden Möbel und Gegenstände. Daß
man diese Wandfläche mit den denkbar einfachsten
Mitteln beleben, zu den Möbeln stimmen kann, die sie
umschließt, leuchtet wohl ein und ist es nicht ein
Schluß logischer Folge, wenn wir für eine solide Ein-
richtung Tausende geopfert, noch ein geringes
übriges für die Wohnung selbst zu tun, um ein
einheitlich Ganzes zu schaffen, eine Wohnung,
die auf die Persönlichkeit ihres Bewohners
zugeschnitten zu sein scheint, in der sich seine
Persönlichkeit sichtbar ausprägt?

In manchen Fällen dürfte der Hauseigentümer
wohl einen Teil der Kosten tragen helfen, meistens
aber wird er wenig oder kein Verständnis und Ent-
gegenkommen zeigen, ihm genügt es ja, wenn seine
Wohnungen dem »allgemeinen Geschmack« Rechnung
tragen, und wie es mit diesem Maßstab an die Kunst
bestellt ist, wissen wir ja, wir brauchen nur einmal
eine Tapete, einen Teppich, einen Türgriff, einen Hut-
haken oder was sonst mit der Wohnung in Beziehung
steht, zu suchen: mit bewundernswertem Eifer empfiehlt
uns der »kunstgelehrte« Kaufmanns-Jüngling die »gang-
barsten«, »gesuchtesten« Artikel, und wahrlich man hält
es nicht für möglich, wie solche Geschmacklosigkeiten

noch immer gekauft, ja sogar gesucht werden ! Dieses
Beispiel gibt uns ohne weiteres den Kommentar zur
künstlerischen Beschaffenheit unserer Mietwohnungen:
sie steht gewiß mit wenig Ausnahmen auf einem
niederen Niveau. Da heißt es denn selbst mit ein-
greifen und mit wenigem ist es ja getan. Was sind
denn auch sechzig oder hundert Mark, gegen Jahre
dauernde Annehmlichkeiten des Wohlbehagens, gegen
eine künstlerischen Geist atmenden Umgebung! Diese
Ausgabe bringt reichlich Zinsen: wir erhöhen da-
durch unsere Lebensfreude in nicht geringem Maße.

In solcher Wohnung fühlt man sich heimisch, und
ich weiß es aus Erfahrung — man wird sich ungern
von ihr trennen. Nicht Vornehmheit, nicht Ele-
ganz geben der Wohnung künstlerischen Aus-
druck, sondern allein individuelle Behandlung.
Warum sind denn so viele elegante Wohnungen steif
und abstoßend? Weil sie durchaus unkünstlerisch sind,
und wie manches schlichte Bürgerheim entlockt uns
dagegen den Ausruf gemütlichen Behagens.

Möchten wir doch immer mutig genug sein, uns
von Tradition und alles erstickender Nachahmungssucht
frei zu machen; sie schadet unsern modernen Kunst-
bestrebungen weitaus mehr als der ehrliche Kampf der
„Alten". Hat die liebe Freundin X. sich vornehm ein-
gerichtet, so muß ich mich, wenn nicht noch vornehmer,
mindestens doch ebenso vornehm einrichten, das ist
heute Parole. Es gehört zum guten Ton, sagen zu
können: diese Räume sind vom Hoflieferanten Y., jene
 
Annotationen