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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Schwindt, Adolf Metus: Über die "Aufgabe der Kunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0037
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INNEN-DEKORATION

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PROFESSOR MAX LAUGER —KARLSRUHE

HAUS ALBERT »EINGANG U. TREPPENHAUS«

ÜBER DIE »AUFGABE DER KUNST«

Kunst kommt von Können! Ein Satz von nahezu dog-
matischer Kraft und Bestimmtheit, ein Satz mit dem
man den Gegner zu Boden schlägt, auf den es keine Ant-
wort mehr gibt. — Und doch ist er nur zum kleinsten Teil
und in einem ganz anderen Sinne wahr, als seine lauten
Verkünder es ahnen. — Für die freie Kunst ist er nahezu
ganz ungültig, insofern als mit dem »Können«, der manu-
ellen Geschicklichkeit, noch garnichts gesagt ist über
den künstlerischen Gehalt eines Bildes. Das Können ist
da lediglich die Beherrschung der Ausdrucksmittel, das
Alphabet der Schreibkunst. Wie das Denken als solches
nicht abhängt von der Fähigkeit, seine Gedanken schrift-
lich niederlegen zu können, diese Fähigkeit jedoch wün-
schenswert und notwendig erscheint, um größere Denk-
folgen zu fixieren und klarzulegen, so ist auch das »Können«
in der Kunst erst das Zweite, dem als notwendiges Erstes
die besondere seelische Lagerung, die das Künstlersein
bedingt, vorausgehen muß. Es wird niemand einfallen,
ernsthaft sagen zu wollen, man müsse zunächst schreiben
können, um daran das Denken zu lernen, aber laut lehrt
man der lauschenden Menge : Kunst kommt vom Können!

Sollte jedoch der Satz so zu verstehen sein, daß die
künstlerische Fähigkeit die Bedingung künstlerischer Ar-

beit sei, so bedeutete das nichts anderes als der Gemein-
platz : nur ein Schuster kann Schuhe machen.

Jede wahrhafte Kunst, sofern sie Anspruch auf diesen
Namen hat und nicht lediglich gut verkäuflich ange-
strichene Leinwand ist, ringt doch um ein Letztes, um
die Erkenntnis des Wesens der Dinge, um Gestaltung
nicht nur des zufällig Vorhandenen, sondern vor allem
des notwendig Bedingten. Schopenhauer formuliert das
wie folgt: »Die Idee, in welcher der Wille den höchsten
Grad seiner Objektivation erreicht, unmittelbar anschau-
lich darzustellen, ist endlich die große Aufgabe der Malerei
und Skulptur« und weiter, an anderer Stelle: »Daß der
Künstler imstande ist, statt der Form den Inhalt der Er-
scheinungen darzustellen, beruht darauf, daß er, indem
er im einzelnen Dinge dessen Idee erkennt, gleichsam die
Natur auf halbem Worte versteht und nun rein ausspricht,
was sie nur stammelt, daß er die Schönheit der Form,
welche ihr in tausenden Versuchen mißlingt, dem harten
Marmor aufdrückt, sie der Natur gegenüberstellt, ihr
gleichsam zurufend: »Das war es, was du sagen wolltest!«
und »Ja, Das war es!« hallt es aus dem Kenner wieder«.

Schopenhauer stellt also hier bewußt die Forderung:
hinter der natürlichen Erscheinungsform das tiefste Wesen

1917. I./II. 2.
 
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