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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Schwindt, Adolf Metus: Über die "Aufgabe der Kunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0038

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INNEN-DEKORATION

PROF. M. LAIIGER-KARLSRUHE

»GARDEROBE« IM HAUS ALBERT

eines Dinges, seine Idee oder »seinen Willen«, wie er
das nennt, zu erfassen und künstlerisch darzustellen.

Sein schärfster Gegner ist hierin Piaton, der gerade
vom Gegenständlichen ausgeht, und das Ziel der Kunst
in getreuer Naturabbildung sieht. Er sagt, »daß der
Gegenstand, den die schöne Kunst darzustellen beab-
sichtigt, das Vorbild der Malerei und Poesie, nicht die
Idee wäre, sondern das einzelne Ding«.

Zwischen diesen beiden äußersten Polen schwankt
die Auffassung von der »Aufgabe der Malerei« und
nähert sich je nach Zeit und Persönlichkeit des Künstlers
bald mehr dem einen, bald dem anderen Ende. Es ist
natürlich und begreiflich, daß das Publikum bei der
naiveren Auffassung Piatons, als der leichtverständliche-
ren, zum größten Teil heute noch steht, aber man sollte
begreifen lernen, daß man Werke der neueren Richtung,
die mehr zu der tiefen philosophischen Auffassung
Schopenhauers sich neigen, nicht mit dem Maßstab der
Naturwahrheit messen darf. Man kann wohl schlechter-
dings einem Menschen nicht verbieten zu philosophieren,
weil man selbst kein Verhältnis zur Philosophie hat, und
will man Werke der Expressionisten, als deren typischster
Vertreter Franz Marc zu nennen wäre, wirklich würdigen
und beurteilen, so darf man sich die Mühe nicht ver-
drießen lassen, zunächst einmal ein persönliches Verhält-
nis zu ihrer Grundbedingung, zur Philosophie, anzubahnen.

Bei Franz Marc liegt der Tatbestand insofern besonders
günstig, als er, von der Naturnachahmung und dem Im-
pressionismus kommend auch dem Gegner des Expres-
sionismus, sofern er überhaupt sehen will, beweist, daß
er wohl imstande ist, die Formen des Tieres und der Land-
schaft virtuos zu meistern, und daß er erst von da aus,
folgerichtig von der Oberfläche der Dinge zu ihrem tiefsten
Sein vordringend, zum Expressionismus überging. Seine
Malerei ist Philosophie und wenn er seine »Wölfe« malt
mit vorgeschobenen Schnauzen, übermäßig betonten
Zähnen und dieses packende, zerreißende, vordrängende
in der Landschaft wiederholt und alle Formen sich zu-
sammenschließen zu der einen Wirkung: Raubtier! dann
ist ihm der einzelne Wolf, das zufällige Individuum, dessen
Ohren so und so lang, dessen Schwanz so und so dick
ist und dessen Augen ganz bestimmte Lichter zeigen,
völlig gleichgültig und untergegangen in dem »Typus
Wolf« in dem Willen, der sich im Einzeltier wie in der
ganzen Gattung, darstellt.

Es steht natürlich einem jeden frei, ob er solche Bilder
kaufen will und, ob er beabsichtigt, Stellung dazu zu
nehmen, wie es einem jeden schließlich frei steht, ob er
sich überhaupt mit Philosophie befassen mag, aber solche
Dinge einfach als »falsch« zu bezeichnen, sollte sich jeder
Kritiker, der ernst genommen werden will, doch über-
legen. Es ist überhaupt mißlich, stets von einer »Aufgabe
 
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