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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Lux, Joseph August: Zweck und Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0098

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78

INNEN-DEKORATION

AUS DEM UMBAU EINES ALTEN HERRENSITZES. »TREPPENAUFGANG« BESITZER KAMMERHERR S. v. GRONE-WESTERBRAK B. KIRCHBRAK

ZWECK UND SCHÖNHEIT

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein — der
Zweck ist nur das tägliche Brot, aber die
Seele lechzt nach dem Feiertag der Schönheit.

Der Zweck hängt am Material, am Bedürfnis,
am Funktionellen; die Schönheit aber hat es mit
der Seele zu tun. Sie hat es mit der Kunst zu
tun, die eine Offenbarung der Seele ist.

Im Anfang war nicht der Zweck, sondern die
Schönheit; sie ist der gestirnte Himmel über der
Erde, der früher da war. — Der Künstler, der
Himmel und Erde schuf, dachte zuerst an die
Schönheit; sie sichtbar zu machen, war sein
Zweck. — Der wahre Künstler, der den Schöpfer
heiligt, gehorcht dem himmlischen Gesetz, indem
er der Schönheit dient, auf daß die Erde Himmel
werde; die Schönheit allein ist es, die sein irdi-
sches Werk zu den Sternen erhöht und mit dem
Unendlichen verbindet. — Der Zweck aber, den
der Nützlichkeitsfanatiker als das allein selig Ma-
chende preist, erschöpft sich im Endlichen; wo
bloß die Rede von Zwecken ist, schweigt die
Kunst. Wo der Zweck aufhört, beginnt die Kunst;

obzwar sie nicht zwecklos ist, so wenig wie die
Schönheit. — Die müßige Frage, die die Heutigen
beschäftigt, lautet: ob reine Zweckerfüllung nicht
schon an sich Schönheit und folglich Kunst wäre.
Die Frage allein beweist, wie kunstverlassen diese
Zeit ist. Daß eine Sache nicht häßlich werde,
das Höchste was reine Zweckerfüllung erreicht,
besagt noch lange nicht, daß sie darum auch
schön sei. Ebensowenig kann gesagt werden,
daß reine Zweckvollendung so viel wie Kunst sei.
Es gibt ja Gemüter, die von »Zweckkunst« reden,
und den Widersinn nicht spüren. Es ist vergeblich
mit Materialisten, Puritanern und Zweckfanatikern
über die Forderung der Seele, über Kunst und
Schönheit zu streiten. Wir aber müssen uns klar
darüber sein, daß Zweck ein relativer Begriff ist,
der sich nur in dem Bruchstück des Materiellen
manifestieren kann, während Schönheit ein Absolu-
tes ist, das nur in dem Seelenwunder der Kunst be-
stehenkann als der Himmelsfunke des Unendlichen.

Die Relativität des Zweckbegriffes: man stelle
sich eine Behausung vor, die so arm ist, daß sie
 
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