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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Von Spitzen, Kristall und Silber
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Jaumann, Anton: Der Geist der Spitze
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0073

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INNEN-DEKORATION

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VON SPITZEN, KRISTALL UND SILBER

Fühlt man nicht beim Nennen der drei Worte: Spitzen,
Kristall und Silber, einen Strom warmer Behaglich-
keit, der sich in der Erinnerung mit dem Schein gedämpf-
ter Kerzen und dem frohen Geplauder lieber Freunde
vermischt? Und muß man nicht heute, wo das Essen
meist nur mehr Nahrungsaufnahme, statt fröhlich-heiteren
Genusses ist, doppelt besorgt sein, die guten Geister des
Eßtisches zu beschwören und das einfachere Mahl zu
heben zu festlich froher Stimmung. — Freilich, nicht
ganz leicht ist es, und es genügt nicht einmal, nur Ge-
schmack zu haben. Zu wirklich künstlerischer Gestaltung
des Tisches gehört vor allem schönes Tischgerät.

Das ist garnicht so sehr eine Frage der Mittel, als
vielmehr eine Frage der herzlichen Bestrebung, des liebe-
vollen Einkaufens. Freilich: alles Erforderliche im näch-
sten Geschäft zusammenkaufen, das ist kostspielig und
außerdem dilettantisch. Aber das langsame Sammeln,
das zielbewußte Arbeiten, das Einstellen des hausfrau-
lichen Begehrungsvermögens — alle Achtung vor dieser
Großmacht — auf dieses Ziel, das ist es, was die Tafel-
schätze ins Haus zieht. Der Ehrgeiz der Hausfrau kann
auf diesem Gebiet garnicht genug angefeuert werden.
Der gedeckte Tisch, das wissen wir alle, ist eine sehr

wichtige Sache. Die Stunde, da der Mensch bei Tafel
sitzt, ist er ästhetisch gestimmt. Mehr als sonst ist er zu
feinerem Genießen aufgelegt, er befindet sich in einer
behaglichen Passivität, die der Aufnahme von schönen
Eindrücken so außerordentlich günstig ist.

Alles faßt er mit einer besonderen Dankbarkeit der
Sinne auf. Es ist eine Stimmung, die ans Festliche streift.
Das macht der mit »Kunst« gedeckte Tisch sich zunutze.
Die Hausfrau, die ihre Sache versteht, ist unablässig
bestrebt, das, was zunächst nur dem Bedürfnis der Nah-
rungsaufnahme zu dienen scheint, ins Festliche zu steigern.
So wird der gedeckte Tisch zu einer Quelle ästhetischer
Lust, deren »Nährwert« für den geistigen und leiblichen
Menschen nicht gering zu schätzen ist. Ganz abgesehen
davon, daß auch der gedeckte Tisch eine Angelegenheit
der allgemeinen Lebensverfeinerung ist, zu der wir uns

immer mehr erziehen müssen................i. d.

*

DER GEIST DER SPITZE. Die Spitze war da,
lange bevor es der menschlichen Hand glückte, sie
mit Faden und Nadel zu verkörpern. Ihre Keime lagen
im Wesen der Frau, sehnsüchtig nach Gestaltung. Erst
die Renaissance, die der Frau die Freiheit brachte, die
 
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