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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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K., M.: Vom neuen Kunstgewerbe: zu den Arbeiten der deutschen Werkstätten A.-G.
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0308

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L. BERNHARD. HERREN-SCHREIBTISCH

AUSF: DEUTSCHE WERKSTATTEN A.-G.—MÜNCHEN

VOM NEUEN KUNSTGEWERBE

ZU DEN ARBEITEN DER DEUTSCHEN WERKSTÄTTEN A.-G.

Die Möbel und Zimmereinrichtungen, die wir hier im
Bilde bringen, sprechen für sich selbst und bedürfen
kaum besonderer Begleitworte. Man kennt die Namen
der bewährten Architekten, die als entwerfende Künstler
zeichnen, kennt ihre Eigenart und wird sich freuen, sie
in den abgebildeten Werken wiederzufinden. Sie im ein-
zelnen zu analysieren, hat keinen rechten Zweck.

Reizvoller vielleicht als dem Trennenden der einzelnen
Individualitäten nachzugehen, könnte es angesichts dieser
kleinen zufälligen Zusammenstellung erscheinen, für einen
Augenblick das Verbindende in den Arbeiten so ver-
schiedener Persönlichkeiten zu erwägen und darüber
nachzudenken, welche einheitliche Physiognomie heute
der »Werkstättenstil« bereits aufweist. Denn irgend
etwas Gemeinsames ist zweifellos da, wir fühlen das
Etwas, eben des Werkstättenstiles, sicher heraus, nur
stehen wir ihm noch zu nahe, um dieses Etwas sicher zu
bezeichnen. Vor dem Auge späterer Geschlechter wird
sicherlich das uns heute verschiedenartig Dünkende viel
enger zu dem einheitlichen Bilde des »Stiles vom Anfang
des 20. Jahrhunderts« zusammenrücken; doch wie diese
Späteren die heutigen Werke dereinst anschauen werden,
das können wir natürlich auch nicht vermutungsweise
erraten. Wir selbst haben kaum einen Vergleichspunkt,
der uns von der Gegenwart Distanz geben könnte. Denn
die heutigen Arbeiten einfach mit den alten Arbeiten,
den Werken der stilstarken Epochen der Vergangenheit,
zu vergleichen, wie es häufig geschieht, ist nicht ohne

weiteres zulässig, weil die Entstehungsbedingungen für
damals und jetzt so ganz verschiedenartige sind. Darum
führt ein solcher Vergleich auch meist zu vorschnellen
und ungerechten Urteilen. Man darf die Werke des
neuen Kunstgewerbes der industrialisierten Zeit zunächst
nur innerhalb der Bewegung selbst vergleichen. Und die
Bewegung ist bereits alt genug, daß sie einen solchen
Vergleich ermöglicht. Man denke von Arbeiten wie den
heute publizierten zurück an die Arbeiten aus der Früh-
zeit der Bewegung. Wenn man das, was sich da an Ent-
wicklung zweifellos konstatieren läßt, durchaus auf eine
Formel gebracht haben will, so könnte man etwa sagen:
die Uberwindung der Doktrin, des theoretischen Puri-
tanismus. Jene Künstler waren damals, so heiß ihr
Herz schlug (heißer vielleicht als heute), doch beengt
von einer großen theoretischen Befangenheit. Nach-
dem man einmal eingesehen hatte, daß es mit dem
bloßen Willen zur Eigenform nicht ging, war man ängst-
lich geworden, versagte dem Schmucktrieb eigenwillige
Exerzitien und bannte die Phantasie in die Fesseln
der Zweckform. Mit großer Anstrengung suchte man
den Stuhl als solchen, den Tisch als solchen zu ermitteln.
Aus jener Zeit gewannen die Möbel jene gewisse Steif-
heit, Ungelenkheit, entsagungsvolle Kargheit, die mancher
dem Werkstättestil noch heute — zu Unrecht — nach-
sagt. Was darüber hinausführte, ist nicht mit Theorien
und Schlagworten formuliert worden. Wenn man das
heutige Kunstgewerbe nach seinen geistigen Glaubens-
 
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