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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Prellwitz, K.: Eine Synagoge von Friedrich Adler - Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0370
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348

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT FRIEDRICH ADLER—HAMBURG

GLASFENSTER DER SYNAGOGE AUF DER D.W.B.-AUSSTELLUNG

EINE SYNAGOGE VON FRIEDRICH ADLER-HAMBURG

In den letzten Jahren sind in Frankfurt, in Darm-
stadt, vor allem in Essen neue Synagogen entstanden,
die immerhin als Beweis dafür zu nehmen wären, daß
man sich im Kreis der jüdischen Gemeinden den neuen
Architekturideen keineswegs widersetzt. Allerdings,
wenn man sich an die Regel hält und die Regel ist doch
immer noch der romanisch-byzantinische Mischmasch, wie
ihn die neue Synagoge in Charlottenburg darbietet, so
zeigt sich auch hier wieder, daß die Orthodoxie, welcher
Schattierung sie auch sei, sich sehr gemächlich auf den
Bahnen des Fortschritts, ich meine: des künstlerischen
Fortschritts bewegt. Das Judentum, dem gehässige
Widersacher so oft den Vorwurf entgegenschleudern,
daß seine prononciertesten Schichten in künstlerischen
Dingen sich rückhaltslos, mit einem ungezügelten Enthu-
siasmus den modernsten und ganz traditionslosen Werten
hingebe (was nebenbei von einem anderen Standpunkt,
dem der Vorurteilslosigkeit und dem der künstlerischen
Entwicklung aus gesehen alles eher denn beschämenswert
erscheint), erweist sich in seinen hierarchischen Stil-
äußerungen keineswegs gelenker als die anderen Kon-
fessionen. Orthodoxie ist eben Orthodoxie; in diesen
Dingen. erweist sie sich über die Bekenntnisse hinweg
eng verschwistert. —

Dabei fehlt dem Judentum eine der Hemmungen, die
sich unüberwindlich fast den künstlerischen Auf frischungs-
bestrebungen im katholischen und protestantischen Kir-
chenbau entgegenstellen: die große, durch die Gewalt
ihrer Schöpfungen stets aufs neue bestrickende Tradition.
Ein Erlaß, wie ihn der Kölner Erzbischof vor einigen
Jahren sehr zum Bedauern aller künstlerisch Empfinden-
den publiziert hat, daß nämlich für den rheinischen
Kirchenbau der romanische Stil als das gegebene Vorbild
anzusehen sei, wäre unter den jüdischen Verhältnissen
undenkbar. Gotteshäuser von solcher Mächtigkeit, mate-
rieller und geistiger Großartigkeit, wie sie das Christen-
tum in allen Ländern Europas in jahrhundertlanger Ent-
wicklung hervorgebracht hat, hat es — von der maurischen
Zeit auf der Pyrrenäenhalbinsel abgesehen — nie hervor-
bringen können. Das hat seine Ursachen zunächst in der
politischen Ohnmacht der jüdischen Gemeinden, die an-
derthalb Jahrtausende und mehr neben den von der
Staatsgewalt anerkannten Bekenntnissen lediglich als
Gäste geduldet und, wie die Geschichte der bis in die
Neuzeit herrschenden religiösen Intoleranz lehrt, nicht
einmal geduldet waren. Wie die römischen Christen,
bedrückt von der Unduldsamkeit abholder Machthaber,
sich zur Verrichtung ihres Gottesdienstes unter die Erde
 
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