Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

DOI Artikel:
Bredt, Ernst Wilhelm: Welche Künstler belehrt "man"?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0285

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

265

ARCH. KARL PULLICH-STUTTGART WAND EINES BILLARDSAALES

WELCHE KÜNSTLER BELEHRT »MAN«?

Mit dem Rufe »los vom man« warnte ich kürzlich vor
dem unfaßbaren, überall zitierten Geschmacks-
tyrannen und Geschmacksverderber »man«, d. h. der
Meinung der allzuvielen. Heute erinnere ich an gewisse
künstlerische Berufe, die sehr zum Vorteil sich belehren
lassen werden über das, was man beliebt.
Welche Künstler sind das ?

Die Maler gewiß nicht. Noch viel weniger die Gra-
phiker und Bildhauer. Ein Maler, der sich nach dem
Geschmack des kleinen »man« richtet, ist unfehlbar dem
Kitsch verfallen. Wer die Größen der Gegenwart oder
Vergangenheit nach dem Geschmack ihrer jeweiligen
Zeitgenossen beurteilt, wird feststellen, daß wohl zufällig
der große Maler auch mal sofort sein großes Publikum
fand, daß aber der Grad der Liebäugelei eines Künstlers
mit dem Publikum seine geschichtliche Größe entspre-
chend beeinträchtigt, wenn nicht vollständig zerstört.
Das ist eine Tatsache, die sich immer wiederholt, weil
sie im Wesen der freischaffenden künstlerischen Persön-
lichkeit liegt. Freilich, sie wird von der Menge in kür-
zester Zeit vergessen und während sie heute für Maler
schwärmt, die noch vor zwanzig oder dreißig Jahren ver-
kannt, verspottet, ja als Revolutionäre angefeindet wur-
den, macht die verjüngte Menge den alten Fehler gegen
neue junge Maler von neuem. Die Menge d. h. »man«
will bedient sein. Wer weiß denn heute noch, daß Feuer-
bach wegen seiner Farben, Spitz weg wegen seiner Themen,

Schwind wegen seiner Erzählungen von ebendenselben
Kreisen kühl, spöttisch oder feindlich angesehen wurde,
die heute nichts edleres als Feuerbach, nichts entzücken-
deres als Spitzweg und Schwind kennen? Diese Maler
wurden groß und bleiben groß, weil sie nicht malten
was »man« wollte.

Die Erinnerungen an solche freie künstlerische Per-
sönlichkeiten will ich hier nicht häufen, ich habe das
anderwärts getan. — Fest aber sollte sich aus solchen
vielfachen und immer wiederholenden Erinnerungen die
Lehre einprägen, daß man den freischaffenden Künstler,
den Maler, den Bildhauer niemals belehren kann und darf.

Gleichzeitig sollte sich aber jeder künstlerische Ge-
stalter unserer Möbel, Wohnungen und Häuser, also jeder
Kunstgewerbler, Dekorateur und Architekt einprägen,
daß er unter allen Künstlern der einzige ist, den »man«
am besten belehrt. Unbeschadet seiner Genialität! —
Genialität als Kunstgewerbler, als Meister angewandter
Kunst erwirbt sich vielmehr gerade nur der, der aus dem
Geschmack der mehr oder weniger gesonderten Menge
heraus die Formen zu bilden weiß, die ihr unbewußt vor-
schweben, die sie selbst aber nicht zu finden weiß. —
So trennt eine tiefe Kluft die künstlerische Bildung des
einen und die des andern Künstlers. — Je weniger der
Meister der freien Kunst auf das geben und sehen darf,
was »man« beliebt, umsofester und tiefer muß der Meister
der angewandten Kunst das ansehen und erkennen,
 
Annotationen