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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Muschner, Georg: Zehn Gebote für Brautpaare
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0255

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ZEHN GEBOTE FÜR BRAUTPAARE

UND ALLE, DIE SICH EINZURICHTEN BEABSICHTIGEN.

I. So Ihr heiraten wollt, bedenket bei Zeiten
die Ausstattungsfrage Eurer Wohnung. Kaufet nicht
Möbel in den legten drei Wochen oder acht Tagen.
Benu^et die Brautzeit dazu, Euch auf den großen
Gebieten moderner Wohnungs-Ausstattungen um-
zusehen — es ist vielleicht das einzige Mal in Euerem
Leben, daß Ihr diesem Kulturgebiet so nahe tretet.

*

II. Denket daran, daß Euer künftiges Leben, daß
Glück, Behaglichkeit, Gemüt und Charakter ein
gut Teil abhängig ist von der ständigen Umgebung,
in der Ihr Jahr aus Jahr ein, Tag aus Tag ein
leben werdet. Euer Geschmack schafft Euere Um-
welt; Eure Umgebung bildet oder verbildet aber
auch Eueren Geschmack. Ihr seid auch Euern Kin-
dern verantwortlich für die Umwelt, die Ihr ihnen
bietet; ihr Werden hängt von Eurer Wohnungs-
kultur mehr ab, als Ihr ermessen könnt.

*

Hl. Die Frau richte ihre Räume ein, der Mann
die seinen; es braucht nicht alles über einen Kamm
geschoren zu sein. Es lassen sich auch gemein-
same Räume zugleich männlich charaktervoll und
weiblich traulich herrichten. — Ihr braucht Euch
bei Streitigkeiten nicht gleich zu entloben.
*

IV. Streitet nicht, ob Ihr Euch »modern« oder
»alt« einrichten wollt. Es lassen sich sehr wohl zu
alten ererbten Stücken neue Ergänzungen schaffen.
Kauft aber nicht alten Kram dazu. Das Problem
der Zeit lautet: sich nicht in alte fremde Stücke
setjen, sondern die Motive der alten erprobten
Kultur neu gestalten!

*

V. Wenn Ihr die Summe für den Ankauf oder
die Bestellung der Möbel festsetjet, vergesset nicht,
daß damit Eure Ausstattung nicht gemacht ist.
Bestimmet für jedes Zimmer einen wenn auch
kleinen Betrag für Tapeten, Vorhänge und jene
Dinge, die den Raum und die Möbelstücke in Far-
ben und Formen erst zusammenstimmen und das
Ganze zu einer künstlerischen und wohnlichen
edlen Einheit machen.

*

VI. Schafft Euch keinen Staatssalon mit ver-
deckten Repräsentationsmöbeln, schafft Euch Wohn-
räume. Könnt Ihr Euch einen Salon leisten, stimmt
ihn so, daß Ihr Euch täglich darin feiertäglich fühlt;
hocket aber nicht eines Salons wegen im engen
Wohnzimmer.

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VII. Das Schlafzimmer sei groß und luftig und
hell. Wohn- und Eßzimmer seien nicht übervoll
an Möbeln und Zierat. Wenige gute Stücke im
ruhigen Einklang der Farben und Formen. Keine
sinnlos gesammelten fremden nicht zugehörigen
Eckensteher! — Kinderzimmer, Küche, Bad und
Mädchenzimmer verlangen nicht mindere Sorgfalt
als die Haupträume; vernachlässigt sie nicht, weil
sie selten jemand sieht!

*

VIII. Ein Tisch ist ein heiliges Gerät; er trägt
Eltern und Kindern und oft Generationen die täg-
liche Speise. Das Bett ist die Wiege Eurer Ge-
sundheit. Ein Schrank ist ein Kunstwerk der Kultur.
Bedenket danach, daß alle Möbel ihre gehaltvolle
Form haben müssen, auf daß sie Euch und den
Eurigen lange etwas bedeuten.

*

IX. Kaufet darum keine Fabrikware. Kaufet
Euch nicht übermoderne oder moderntuende Innen-
Einrichtungen, die Euch zwar fein erscheinen, aber
doch ganz fremd sind. Sprechet mit den Firmen
und Künstlern und lasset Euch nach Euern Ge-
danken die Stücke machen. Geschäft und Künstler
wollen solche Anregungen. Ihr sollt in den Möbeln
wohnen, nicht jene.

*

, X. Wenn Ihr den Grundstock Eures Heimes habt,
die Möbel, die Teppiche, die Vorhänge, wenige
Bilder und Vasen, dann füget langsam hinzu, was
dem Ganzen noch starke Noten gibt, ein gutes
Bild, eine Plastik, ein sonstiges Möbelstück. Wenn
Ihr Euch gut eingerichtet habt, werdet Ihr bald
merken, wie wenig sich in eine anfangs gut ge-
stimmte Einrichtung nachtragen läßt. Darum legt
gleich das Nötige an und spart lieber hinterher.
*

Und auch der lunggeselle und die Junggesellin mögen darnach streben, in eigenen Möbeln
zu wohnen, auf daß in Deutschland der Brauch der schrecklichen geschmack- und charakter-
losen Mietswohnung und »möblierten« Zimmer auf das notwenigste Maß beschränkt werde
und sich bald eine neue Wohnungskultur mit selbständigem Charakter ausbreite. Georg Muschner.

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GESCHNITZTER B1LDERRAHMEN.1 HOLLAND UM 1660. AUS DEM »PAN« MIT GENEHM. VON W. DRUGUL1N-LE1PZ1G
 
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