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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Prellwitz, K.: Eine Synagoge von Friedrich Adler - Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0371
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INNEN-DEKOftATION

349

ARCHITEKT FRIEDRICH ADLER—HAMBURG

AUSF: VER. WERKSTATTEN FÜR GLASMALEREI

flüchten mußten, so hat das Judentum bis in die Mitte
des 19. Jahrhunderts sich beschränkt gesehen auf die
unscheinbarsten Betsäle, meist sogar auf Räume, die für
gewöhnlich irgend einem profanen Zweck dienten und
die Gotteshaus nur dadurch wurden, daß sich in ihnen
zehn und mehr Männer zum Gebet zusammenfanden. Die
Zeiten waren oft so, daß man meist froh sein mußte,
wenn diese bescheidenste Art der Religionsübung unge-
stört statthaben konnte. Ein stolzer Bau gar, der als Be-
kenntnis zu Jahwe an öffentlicher Straße gestanden hätte,
wäre selbst innerhalb der Mauern des Ghettos als eine
Provokation empfunden worden, die das Ungemach der
Bekenner ins Vielfache gesteigert hätte. Glückliche Um-
stände haben es gelegentlich, zum Beispiel in Prag, in
Worms und vor allem in den freiheitlicher gestimmten
und daher auch im Glauben toleranteren Niederlanden,
zu Synagogenbauten kommen lassen, die an Ausdehnung
bescheiden waren, an formaler Haltung aber noch heute
ihren Eindruck nicht verfehlen. Immerhin sind diese Do-
kumentationen zu vereinzelt und ihre Ausmaße gegenüber
den Ansprüchen der heutigen, an Seelenzahl so viel stär-
keren Gemeinden zu bescheiden, als daß sich aus ihnen
ein eigener Synagogenstil hätte entwickeln können.

Hinzu kommt, daß auch von früher her aus der Zeit,
da Judäa noch einen selbständigen Staat bildete, eine
große Tradition nicht vorhanden ist. Die zwölf Stämme

hatten eigentlich nur einen Tempel, den frühzeitig und
vollständig zerstörten Tempel Salomonis in Jerusalem.
Er war mehr Nationalheiligtum und Wallfahrtsstätte als
Gotteshaus im heutigen Sinne. Jeder Versuch eines wei-
teren Tempelbaues neben dem in Jerusalem wurde von
der Priesterschaft als ketzerisches Unterfangen abge-
wiesen. Dieser Tempel in Jerusalem war gewissermaßen
dem König Salomon von Gott aufgetragen und eine an-
dere »Wohnung Gottes« wäre ein Verstoß gegen das
Gesetz gewesen. Er war die Opferstätte, nach der man
alljährlich die Gott geweihten Gaben brachte. Im übrigen
aber gab es keinen Kult, der, wie bei den christlichen
Gemeinden nach besonderen Gotteshäusern verlangt hätte.
Der Gedanke, daß Gott allgegenwärtig sei und daß eine
Gemeinde überall beisammen wäre, wo zehn erwachsene
Männer sich zusammengefunden hätten, war ausschlag-
gebend. Liturgische Bedürfnisse gab es so gut wie nicht.
Bekenntnis und Ausübung des Glaubens bestand in der
Befolgung des Gesetzes und in einem gesetzestreuen
Lebenswandel. Das Zeremoniell, das die jüdischen Ge-
meinden im Verlauf der Entwicklung angenommen haben,
konnte erst entstehen, nachdem die Möglichkeit der Opfer-
darbietung im Jerusalemer Tempel beseitigt war und ist
zweifellos als Gegenstück zu den Kultübungen der an-
deren Bekenntnisse geworden. — Der jüdische Glaube
ist ganz und gar spirituell. Irgendwelche Inkarnation des
 
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