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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Zimmermann, Ernst: Dekorative Keramische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0409
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INNEN-DEKORATION

387

ROBERT
ENGELS-
MÜNCHEN

•AUFERSTEHUNG
DES LAZARUS«
RECHT. SEITENBILD

Als farbiges, als starkfarbiges Objekt fügen wir da-
rum auch das Erzeugnis rein dekorativer Keramik in
unsere Wohnungen in der Regel ein, stellen es hin auf
Schränke, Kommoden, Tische und Konsolen, oder hängen
es an die Wände. Hier ist es der Punkt, an dem der
heute, Gott sei Dank, nach langem Versiegen wieder in
uns erwachte Farbensinn in unseren Zimmern seine reinste
Freude, sein höchstes Gefallen finden kann, zugleich mit
der dem Menschen angeborenen Sehnsucht nach Licht
und Glanz, die für ihn Freude und Glück bedeuten. Es
ist der Farbensinn des normalen d. h. noch nicht verblö-
deten, blasierten Menschen, der sich nach reinen, schönen
Tönen sehnt, die gebrochenen höchstens nur in fein ab-
gestimmten Harmonien liebt, jener Farbensinn, den die
Menschheit immer besessen, der Wilde, wie der Kultur-
mensch, nach dem das Auge ebenso verlangt, wie das
Ohr nach dem vollen Klang musikalischer Töne, der uns
aber im 19. Jahrhundert aus mancherlei Ursachen in einem
Maße verloren gegangen war, wie niemals vordem. Er
ist zwar nicht jedem in gleichem Maße eigen. Die Fähig-
keit, Farben zu sehen und zu empfinden, ist ja gleich, wie
die, Töne richtig zu hören, bei den verschiedenen Men-
schen sehr verschieden. Ganz jedoch wird er nur jenen
fehlen, die wir farbenblind nennen, jenen Bedauerns-
werten, denen die Natur aus irgend einer Laune einen der
schönsten Genüsse auf Erden versagt hat und die darum

nicht besser über die Farbe reden können, wie Blinde.
— Diese wiedererwachte Farbenfreude kann freilich
auch an anderen Dingen in unseren Zimmern heute seine
Befriedigung wieder finden. Es ist hier jetzt alles wieder
farbiger geworden, als vordem: die Tapeten, die Tep-
piche, die Decken, die Wandbilder, das Bücherbrett mit
seinen ganz verschiedenfarbigen Bänden; selbst die
Möbel erscheinen heute vielfach farbig gebeizt, lackiert
oder angestrichen. Doch eine gewisse Zurückhaltung
muß hier am Platze sein. In einem beständig uns rings
umwogenden Farbenrausch können wir nicht leben, vor
allem nicht wir modernen, schwachnervigen Menschen,
die wir, abgetrieben und nervös gemacht von der Hetze
des Lebens da draußen, mehr als je uns in der Zurück-
gezogenheit der Räume, die uns heute zum Heim dienen,
nach Ruhe, nach Befreiung von äußeren Eindrücken
sehnen. Nur Räume, in denen wir nicht eigentlich wohnen,
die nur in gehobener Stimmung benutzt werden, d. h. die
der großen Geselligkeit gewidmeten dürfen heute noch
stark farbig sein. Wir haben keine Bauernnerven mehr,
und so muß auch unsere Wohnungskunst das volle Gegen-
teil von Bauernkunst sein. Aber an einzelnen, nicht
immer gleich in die Augen fallenden Stellen, auf kleinerem
Raum, da darf sich die Starkfarbigkeit auch in unsere
alltägliche Umgebung einnisten, da dürfen starkfarbige
Gegenstände, wofern sie auch beschränkteren Umfanges
 
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