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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 28.1917

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Zimmermann, Ernst: Dekorative Keramische Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10024#0410

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388

INNEN-DEKORATION

ROBERT
ENGELS-
MQNCHEN

GLASGEMALDE
»HOCHZEIT ZU KANA«
LINKES SEITENBILD

sind, und auch nicht an den wichtigsten Stellen un-
serer Wohnräume aufgestellt werden, in sie einziehen.
Sie bringen hier farbiges Leben herein, ohne zugleich
das ruhebedürftige Auge durch zu breite und darum
zu große Aufdringlichkeit zu verletzen. Man braucht
sie auch nicht hier zu sehen, wofern man nicht will,
sind aber dafür sofort zur Stelle, wenn das Auge ein-
mal nach ihnen begehrt, nach einem Sinnenreiz, wie es
ein normal veranlagtes Auge von Zeit zu Zeit immer
tun wird, gleichwie das Ohr sich nach reinen, schönen
Klängen und nichts als Klängen sehnen kann. Wer aber,
der wirklich schon wieder Farben zu sehen gelernt hat,
hat nicht solche Augenblicke des Farbenbegehrens ge-
habt, wer nicht die Sehnsucht, auf wenige Minuten, ja
nur Sekunden sich ablenken zu lassen von der Alltäglich-
keit des Lebens auch in seinen Innenräumen durch schnell
sich äußernde Eindrücke, die ihn völlig aus jener heraus-
zuziehen und ihn ein höheres, schöneres Leben für Augen-
blicke ahnen lassen? Er wird es dann dankbar empfinden,
daß wir dem fernen, seltsamen China und seinem einst-
mals so herrlichen Porzellan, freilich eigentlich ganz ohne
sein Verdienst, das dekorative keramische Setzstück ver-
danken, ohne das heute keiner mehr völlig auskommt, das
heute in irgend einer Form zu besitzen, ein jeder strebt.
Und so ist es uns in unserem Heim schon seit geraumer
Zeit wie ein lieber Freund geworden, der, wie jener see-

lisch, uns künstlerisch zu befriedigen pflegt. Und als
Freund sollen wir es darum auch behandeln.

Doch das keramische Setzstück bedeutet noch mehr
in unseren Innenräumen, als eine farbige Belebung der-
selben und ein gelegentlicher Freudenerzeuger. Es ist
auch ein Beieber derselben schlechtweg und heute mehr
denn je. So sehr die moderne Wohnungskunst heute
auch unsere Wohnungen dank ihrer gebesserten inneren
Harmonie und gesteigerten Qualität veredelt hat: eins hat
sie bisher im allgemeinen — das erkennt man jetzt immer
mehr und mit Schrecken — noch nicht immer zu voller
Zufriedenheit wieder erreicht: die Wohnlichkeit. Die
Stuben unserer Väter, unserer Großväter, wie viel mehr
waren diese doch einst »gemütlicher« als alle die Räume,
die jetzt ganz auf der Höhe der modernen Wohnungs-
ästhetik stehen, mögen sie auch, rein künstlerisch ge-
nommen, ihnen noch so überlegen sein! Die modernen
Wohnungseinrichtungen strahlen unzweifelhaft oft eine
merkwürdige Kälte aus. Sie wirken vielfach zu kor-
rekt, zu mathematisch, zu ausgeklügelt, da uns doch
sonst in unserem künstlerischen Empfinden heute das
Malerische, d. h. das Regellose, in erster Linie anzieht.
Es ist uns manchmal in solchen Räumen, als wohnten
darin eigentlich gar keine Leute, als seien sie bloß Aus-
stellungsobjekte oder Musterbeispiele, denen die ganze
Kälte bewußt logischer Pädagogik anhaftet. Man sehnt sich
 
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