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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Michel, Wilhelm: Goethe über Farbenwirkung im Innenraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0386
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366

INNEN-DEKORATION

deutsche bücherei in leipzig

kleiner lesesaal u. kartensaal

Farbenpsychologie zu treiben hat. Sie faßt einiges We-
sentliche über Farbenwirkung kurz und schlagend zusam-
men. Anwendbar werden alle solche Beobachtungen da
sein, wo es gilt, einem Raum eine bestimmte Wirkung
aufs Gemüt zu sichern, ihn enger oder weiter scheinen zu
lassen, Flächen herauszuholen oder zurückzudrängen,
Stoffe und Bezüge zu Wandfarben in Verhältnis zu setzen.
Wirkt Gelb erregend, ermunternd, geistbelebend, so
wird man dies gern zum Anlaß nehmen, einen Gesell-
schaftsraum in diese Farbe zu kleiden. Mit dem würde-
vollen, ernsten Rot wird man repräsentieren, mit Grün
im Wohn- und Arbeitszimmer Ruhe schaffen. Wirkt
Violett unruhig und peinlich, so wird man es als Wand-
farbe meiden. Gibt Blau keine Abgrenzung, so wird man
es nie da verwenden, wo Stimmung behaglicher Ein- und
Abgeschlossenheit erzielt werden soll. Aber man wird,
wie der Arzt Gifte in weiser Dosierung heilend verwen-
det, sich dieser Farben vorsichtig da bedienen, wo ihre
spezifische negative Wirkung in einem bewußten Zusam-
menhang nützlich wird. Löst Blau z. B. den Begriff
Wand auf (und es tut dies, besonders in blasseren Tönen,
so stark, daß Bilder, die man darauf hängt, im Leeren zu
schweben scheinen) — warum soll man dann diese Farbe
nicht dem Wintergarten geben oder sonst einem Raum,
der nicht eigentlich Wohnraum ist, und von dem man nur
einen heiteren, leichten, verschwebenden Raumein-
druck haben will? Violett ist wohl von Goethe zu karg

und einseitig charakterisiert. Außer der Unruhe hat es
sicher auch die Gefühlsbetonung einer kalten, mystischen
Pracht, einer lebensabgewandten, auf Verneinung ge-
richteten Leidenschaft, ist daher anzuwenden, wo solche
Gefühlstöne gewünscht werden.

Doch sind dies Ausnahmefälle. Für den allgemeinen
Gebrauch dürfte die Einsicht genügen, daß Farben über-
haupt von größter, räumlicher und gemütlicher Wichtig-
keit sind; daß sie im Innenraum jederzeit sorglich zu er-
proben sind; daß Rot und Gelb nebst einigen Abarten
Wärme geben und milde Anregung; daß sie Flächen
bestimmt abgrenzen und Empfindungen der Eingeschlos-
senheit einflößen; daß andererseits Blau und seine Gruppe
physisch und seelisch kalt gestimmt sind; daß sie den
Menschen zu fliehen scheinen; daß schließlich Grün
die innerlich stillste Farbe ist, ein Abschluß, eine Be-
ruhigung, ein Ende.............. Wilhelm michel.

£

DER MENSCH UND DIE FARBE. Die Menschen
empfinden im allgemeinen eine große Freude an
der Farbe. Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes
bedarf. Man erinnere sich der Erquickung, wenn an
einem trüben Tage die Sonne auf einen einzelnen Teil
der Gegend scheint und die Farben daselbst sichtbar
macht. Daß man den farbigen Edelsteinen Heilkräfte zu-
schrieb, mag aus dem tiefen Gefühl dieses unaussprech-
lichen Behagens entstanden sein.......... goethe.
 
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