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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT JOSEF ERHART — MÜNCHEN
»WINTERGARTEN«. HAUS S. IN MÜNCHEN
WACHSTUM UND STRUKTUR
Die Formwelt der Architektur ist von andrer
Art als der Formenschatz des natürlichen
Wachstums, denn Baukörper und Innenräume be-
zeugen deutlich ihre geometrische Struktur.
Mauern, Wände, Fenster und Türen beziehen
streng ein, schließen starr aus. Neben diesen hart-
kantig-klaren Verfestigungen der Strukturen
wirken Pflanzenformen wendig, lose, weich
und verworren; ihre Bildungsgesetze scheinen
freizügig-locker, wandelbar und launisch zu sein.
Ein Strauch in seinem Ringen und Sichrecken
nach Luft und Licht muß sich so-und-nicht-anders
entfalten, eine Ranke mit ihren Blatt-Ansätzen
kann nur so-und-nicht-anders treiben, aber der
Eindruck des Willkürlichen, Losen, Un-strengen
besteht. Diese »freitriebige« Formwelt des Wachs-
tums kann mit der spröden Gestalthaftigkeit der
Struktur wohllautend zusammenklingen, so wie
zuweilen das Blumengerank an Fenstern, Glyzi-
nienranken um eine Verande, Efeu über einer
Mauer nicht Zutat und Beiwerk, äußerlichen
Schmuck, sondern lebendige Teile des Ganzen,
Vervollkommnung des baulichen Bilds bedeuten. .
Die Garten-Gestaltung erreicht den Zusammen-
klang der beiden Formwelten durch Anlage, Auf-
teilung und Gruppierung (Beete, Rasenflächen,
Alleen, Haine), durch formales Anleiten des
Wachstums (Lauben und Spaliere), durch Ein-
dämmen des Wuchses (Lichten, Stutzen von
Bäumen und Hecken). . Die »Wintergärten« ver-
leugneten die Struktur, weil man die Illusion, in
einem offenen Garten zu sein, hervorrufen wollte.
Das moderne »Gartenzimmer« (ähnlich wie der
»Patio«, der Binnenhof garten der südlichen Län-
der) bleibt geschlossener, eingerichteter Innen-
raum; es will nicht wie ein Garten im Freien wir-
ken. Der harte, klare Dialekt der Bau- und Möbel-
gestalt wird so nachdrücklich gesprochen, daß als
Gegensatz dazu die freitriebige Sprache der Pflan-
zenformen rein und lebendig erklingt.
HEINR. GERON.
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT JOSEF ERHART — MÜNCHEN
»WINTERGARTEN«. HAUS S. IN MÜNCHEN
WACHSTUM UND STRUKTUR
Die Formwelt der Architektur ist von andrer
Art als der Formenschatz des natürlichen
Wachstums, denn Baukörper und Innenräume be-
zeugen deutlich ihre geometrische Struktur.
Mauern, Wände, Fenster und Türen beziehen
streng ein, schließen starr aus. Neben diesen hart-
kantig-klaren Verfestigungen der Strukturen
wirken Pflanzenformen wendig, lose, weich
und verworren; ihre Bildungsgesetze scheinen
freizügig-locker, wandelbar und launisch zu sein.
Ein Strauch in seinem Ringen und Sichrecken
nach Luft und Licht muß sich so-und-nicht-anders
entfalten, eine Ranke mit ihren Blatt-Ansätzen
kann nur so-und-nicht-anders treiben, aber der
Eindruck des Willkürlichen, Losen, Un-strengen
besteht. Diese »freitriebige« Formwelt des Wachs-
tums kann mit der spröden Gestalthaftigkeit der
Struktur wohllautend zusammenklingen, so wie
zuweilen das Blumengerank an Fenstern, Glyzi-
nienranken um eine Verande, Efeu über einer
Mauer nicht Zutat und Beiwerk, äußerlichen
Schmuck, sondern lebendige Teile des Ganzen,
Vervollkommnung des baulichen Bilds bedeuten. .
Die Garten-Gestaltung erreicht den Zusammen-
klang der beiden Formwelten durch Anlage, Auf-
teilung und Gruppierung (Beete, Rasenflächen,
Alleen, Haine), durch formales Anleiten des
Wachstums (Lauben und Spaliere), durch Ein-
dämmen des Wuchses (Lichten, Stutzen von
Bäumen und Hecken). . Die »Wintergärten« ver-
leugneten die Struktur, weil man die Illusion, in
einem offenen Garten zu sein, hervorrufen wollte.
Das moderne »Gartenzimmer« (ähnlich wie der
»Patio«, der Binnenhof garten der südlichen Län-
der) bleibt geschlossener, eingerichteter Innen-
raum; es will nicht wie ein Garten im Freien wir-
ken. Der harte, klare Dialekt der Bau- und Möbel-
gestalt wird so nachdrücklich gesprochen, daß als
Gegensatz dazu die freitriebige Sprache der Pflan-
zenformen rein und lebendig erklingt.
HEINR. GERON.