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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Wiederanders, Max: Einrichtung eines kleinen Frankfurter Reihenhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0372
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356

INNEN-DEKORATION

MAX WIEDERANDERS — MÜNCHEN »SITZPLATZ«

IM HINTERGRUND: SCHREIBPLATZ DER FRAU

die ganzen Mißstände ans Tageslicht, die so bezeich-
nend für unsere Zeit sind:

1. Wir haben uns daran gewöhnt, alles fertig im
Laden zu kaufen, wo wir es rasch oder sofort,
nachdem wir es in entsprechender Aufmachung
fix und fertig betrachten konnten, nach Hause
liefern lassen können. Wir haben weder Zeit zu
warten, noch Lust, selbst mitzuarbeiten, mitzu-
denken, selbst Verantwortungen zu übernehmen.

2. Wir haben kein Vertrauen zum Handwerk.

3. Das Handwerk weiß wenig, kann nichts vor-
schlagen, hat keine Tradition, ist nicht auf der
Höhe der Forderungen des Lebens.

4. Wir haben selten Vertrauen zu den sogenannten
Architekten.

5. Die sogenannten Architekten haben viel zu oft
wirtschaftlich, geschmacklich durch Oberfläch-
lichkeit, durch Diktatur enttäuscht.

6. Und das Anfertigen kostet zuviel Geld. Im Laden,
von der Fabrik ist alles billiger. Demgegenüber
ist das Handwerk noch anscheinend unzuver-
lässig im Liefertermin und in der Preisbildung.

Trotz der vielen Erziehungsarbeit, die an Schulen,
durch Zeitschriften, Ausstellungen u. dgl. geleistet
worden ist, ist gerade für das Einrichten einer Woh-
nung noch zuwenig Zusammenhang zwischen Wohn-

bedürfnis, Wohnmöglichkeit, auch Raum und wirt-
schaftlichen Voraussetzungen einerseits und dem
Angebot der Industrie und der Anpassungsfähigkeit
des Handwerks anderseits. Hier ist noch eine wich-
tige und ungeheure Arbeit zu leisten.

Der vorliegende Fall ist typisch in der Vorausset-
zung, durch vorhandene Geldmittel allerdings beson-
ders begünstigt. Der kleine, engräumige Grundriß
eines Reihenhaustypus, wie er zu Dutzenden in Frank-
furt am Main in guten Wohnvierteln entsteht, nicht
gerade schlecht, aber überinstrumentiert - nicht
durch-gefühlt und weder vom räumlichen noch vom
wohnlichen Standpunkt aus genügend durchdacht.
Dabei im banalen Sinn durchaus »praktisch«. Bei Bil-
ligkeit, Qualität und kleinem Grundstück ist es ein
Haus, das laufend Käufer, also auch laufend Wieder-
holungen finden wird. Die Zimmerbreiten sind mit
3,70 m (Schlafzimmer, Eßzimmer) knapp, die durch
breite Türen wirksamen »Fluchten« nehmen nötige
Wandflächen, die kleineren Zimmer sind Kammern.

Bei Annahme normaler Wohnwünsche, des üb-
lichen Haushaltsbetriebes, bescheidener Geselligkeits-
pflege und beschränkten Familienzuwachses ergeben
sich dann ganz klare Möglichkeiten, um noch freie
Verkehrswege, Behaglichkeit, eine gewisse Reprä-
sentation und praktisches Handhaben zu erreichen.
 
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