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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Michel, Wilhelm: Raumgestalter und Dichter
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0104
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INNEN-DEKORATION

DEUTSCHE WERKSTÄTTEN »FENSTERPLATZ« TISCHCHEN: NUSSHOLZ, ENTW. H1LLERBFAND

RAUMGESTALTER UND DICHTER

Der Raumgestalter, der kein Dichter ist, steht spüren, daß sich Menschen in der ungewissen Nacht

nicht auf der Höhe seiner Aufgabe. Es wird von ein helles Zelt errichtet haben, darin sie sich mit

ihm Nüchternheit und genaues Rechnen verlangt, Worten und mit Blicken eng verschlingen, indessen

gewiß. Aber glaubt ihr etwa, der Dichter rechne, draußen die ungeheuren Weiten in Schnee und Stür-

plane, ordne nicht? Er tut das alles, nur daß dieses men liegen: der mag des Lebens hohe Stunden emp-

Tun treu unter der Führung der Eingebung, des ge- funden haben und ist doch nicht auf seinen warmen

schauten Bildes bleibt. In Bildern denkt der Dichter. Grund gekommen.«

Aber was wäre ein Raumgestalter, der nicht in Bil- Dieser warme Grund des Lebens ist es, zu dem das
dern dächte? Alles Rechnen, alles Messen, das er Wohnen und die Wohnung hinführen soll. Er schließt
übt, steht im Dienst dieser Bilder und hat nur da in sich das Geborgensein gegen die Naturgewalten,
seinen rechten Platz. Früher glaubte man, aus dem das Herausgehobensein aus der bloß zufälligen Men-
Zweck und aus dem Werkstoff »ergebe« sich die schengesellung, das warme Beisammensein mit ge-
Form. Aber Form kommt nur aus dem Geist, der sie wählten und erwünschten Menschen, wo das Innere
im Bilde vorher erblickt hat. Bilder eines sinnvollen, hervortritt und Pflege findet. Es sind einfache Grund-
menschenwürdigen Lebens dichten: das heißt Wohn- gefühle des leiblichen und seelischen Daseins, auf die
räume gestalten. Und echt sind diese Bilder nur, aller Wert und Zauber des Wohnens sich aufbaut,
wenn sie auf einem dunklen Hintergrund erwach- Die Wohnung birgt und hegt, sie faßt unser Leben
sen, nämlich auf dem Hintergrund dessen, was nicht und gestaltet es; aus diesen ewigen Grundfunktionen
von Menschen geordnet, was Freiheit und Natur ist. der Wohnung müssen die Bilder stammen, nach
Ein schönes Wort von Wilhelm Schäfer gehört hier- denen sie geformt wird.

her, das vom Wohnen und von der rechten Wohn- Der Raumgestalter ist jedesmal ein Robinson, der

gesinnung handelt: die bloße Natur auf den Menschen hin organisiert.

»Wer das nicht kennt, die langen Abende vertraut Warum haben alle Geschlechter der bewohnten Erde

zu sitzen bei Musik und herzlichem Gespräch und zu seit den Tagen des großen Daniel Defoe mit immer
 
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