Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

DOI Artikel:
Bemerkungen über das Element Schmuck
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0288
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
276

INNEN-DEKORATION

BEMERKUNGEN ÜBER DAS ELEMENT SCHMUCK

Schmuck ist Lebensausdruck. Vielleicht ist er in
der Menschenwelt das gleiche, was in der Pflanzen-
welt die Blüte ist. Blüte steht zur Frucht in einer
bestimmten Beziehung. Sollte das Element Schmuck,
wie es in der Menschenwelt vorkommt, nicht auch
zur Fruchtregion derselben in Beziehung stehen? Ist
Kunst nicht ein wahres Ausblühen am Baum des
nationalen, des gemeinschaftlichen Lebens? Schwung
der Begeisterung, Schwung der großen festlichen Bau-
formen - ist das nicht Blüte, die mit dem Frucht-
tragenden im Volksleben, mit dessen Kraft und Tat-
willen, eng zusammenhängt? Können wir überhaupt
den Begriff einer lebendigen Volkskultur fassen, ohne
die »blühenden« Bestandteile hinzuzudenken, wie sie
in Kunst, Tracht, Fest, Tanz und Spiel vorliegen?

Um so merkwürdiger ist aber der Vorgang, durch
den in neuerer Zeit diese uralte, wesenhafte Bezie-
hung des Schmuckelementes zu den Lebenswirk-
lichkeiten zerschnitten wurde. In den neunziger
Jahren, zur Zeit der Schreinerrenaissance, der stil-
kopistischen Architektur, der metallenen, hölzernen
und keramischen Hausgreuel und der ganzen Talmi-
kultur, die die Gewerbe weithin verpestete, wurde
uns plötzlich klar, daß das Ornament, der Zierat, die

Dekoration sich insgeheim völlig von Wesen und
Wirklichkeit der Dinge gelöst hatten. Es ist sehr
sonderbar, wie etwas Derartiges vor sich geht. Kurz
vorher haben sie sehend nicht gesehen, und Kritik,
die sich zu äußern wagte, wurde mit fertigen Wort-
marken beiseite geschoben. Dann bricht plötzlich
irgendwo der Unterbau der ganzen Position, und
was eben noch selbstverständlich war, wird nun zu
einer Kuriosität oder gar zu einem Verbrechen.
Suggestion, Einsicht, Stimmungsumschlag? Gleich-
viel; wir wurden zum bezeichneten Zeitpunkt jeden-
falls mit einemmal empfindlich gegen das aufgesetzte
Ornament, gegen die aufgetünchte Holz- und Mar-
mormaserung, die kurz vorher noch mit wohlbe-
leibten, backenbärtigen Gründen verteidigt worden
war. Wir sahen: hier ist nicht mehr der schöne
Schein, sondern die häßliche Lüge. Die Schmuck-
form hatte die Fühlung mit dem Material aufgegeben,
sie war ausgebrochen aus einem Zusammenhang, der
sie selbst getragen und gerechtfertigt hatte.

Dadurch wurde eine Gegenbewegung gegen das
Schmuckelement entfesselt, die durch drei Jahr-
zehnte lief und zunächst ständig an Kraft zunahm.
Sie war einer der zahlreichen »Rückgriffe auf die
 
Annotationen