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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Rüdenauer, Adolf C.: Über Wesen und Ziel deutscher Wohnkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0353
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INNEN-DEKO RATION

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ADOLF C. RÜDENAUER »ARMLEHNSESSEL« BIRNBAUM NATUR, FLOCKENSTOFF: WEISSGRAU-GRAUBRAUN

ÜBER WESEN UND ZIEL DEUTSCHER WOHNKULTUR

VON ARCHITEKT A. C. RÜDENAUER

»Ich sehe es als wichtigste Aufgabe für das Kunst-
handwerk an, eine Form zu finden, die den For-
derungen der Gegenwart nach Einfachheit und
Schlichtheit gerecht wird und zugleich eine würdige
Haltung bewahrt.«— Adolf Hitler

Schon immer waren handwerkliche und künstleri-
sche Kräfte am Werk, längst verschüttetes deut-
sches Erbgut: Einfachheit, Ehrlichkeit und Sauber-
keit der Gesinnung - das feine Gefühl für die ver-
haltene Linie und das edle Maß - wieder freizulegen.
Hinzu trat die verpflichtende Erkenntnis, dem zweck-
gebundenen Hausrat und all den Dingen, die unser
tägliches Leben begleiten und Generationen dienen
sollen, eine technisch und formal gleich sorgfältige
Durchbildung zu sichern.

Damit ist eigentlich die Frage: - ob Stil- oder Zeit-
formen - schon entschieden. Leider stehen wir mit
den gewonnenen Erkenntnissen erst am Anfang.
Wir verdanken dies der Sucht, mehr zu scheinen als
man ist! Dieser verderbliche Einfluß durchdrang be-
reits die kleinbürgerlichen Schichten und begann, die
scheinbar nicht zu erschütternde Tradition alter
Bauerngeschlechter zu unterminieren. Ich kenne
Fälle, wo wertvolles Kulturgut, echte ererbte Stücke
einer großen Vergangenheit, nicht etwa gegen gute

1937. X. 3*

praktische Zeitmöbel, sondern bedenkenlos für zwei-
felhafte Stil-Surrogate - mit Aufzahlung - wegge-
geben wurden.

Daß vergangene Stilelemente tot sind wie ihre
Schöpfer, daß unsere heutige Lebensauffassung, unser
Denken und Fühlen, unsere Daseinsvorgänge ohne
Brücke sind zu dem Vergangenen, daß uns Jahrhun-
derte mit ungeahnten Erfindungen trennen, werden
jene verstehen, die Sammlerneigungen besitzen. Der
Sammler wird nicht benützen, sondern pietätvoll
pflegen. Er steht andächtig vor den letzten Zeugen
einer versunkenen Welt und spürt den Atem aus den
Werken vergangener Geschlechter. Echtheit und ver-
bürgte Geschichte sind für ihn oberstes Gesetz und
machen ihn zu jedem Opfer bereit. Für Nachahmungen
jedoch - hat er nicht das geringste Bedürfnis.

Unser Jahrhundert, reich an technischen Erfin-
dungen, beispiellos selbständig in wissenschaftlicher
und künstlerischer Hinsicht, hat es nicht nötig, ver-
gangene Stilelemente zu kopieren. Daß diese Frage
überhaupt zur Diskussion steht, zeigt eindeutig, wie-
viel wir an echtem Stilempfinden verloren haben. Im
Biedermeier gab es weder Möbel in »Florentinischer
Renaissance« noch »im Queen-Anne-Stil«. Ziehen wir
Parallelen: Ein moderner Sakko hinter dem Renais-
 
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