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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Kleinhempel, Erich: Nachdenken - Übung in der Geschmacksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0117
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INNEN-DEKORATION

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Raum der Dinge und Geschehnisse verhalten sollte,
sich einzufügen hätte, sie zu gebrauchen oder zu
respektieren.

Solches Nachdenken ist's, das jeder zu einer Ge-
schmacksübung ausbauen sollte, schöpferisch oder
reflektorisch. Der schöpferische Mensch tut das
auf seinem Gebiet ohne weiteres von selbst, denn
darin liegt ja eben sein Schöpferisches. Manche gibt
es aber, die wenigstens etwas schöpferisch sein
könnten, sich dessen aber erst bewußt werden müß-
ten oder etwas zuversichtlicher und selbstvertrauen-
der werden sollten.

Der reflektierende Mensch denkt auch nach,
denn auch bei ihm liegt gerade im Nachdenken sein
Tun und sein Erfolg, nur tritt bei ihm das Nach-
denken als solches mehr hervor als beim schöpferi-
schen Menschen. Bei dem ist es mehr hinterm ge-
schaffenen Werke verborgen. Für die Allgemeinheit,
für das Zusammensein in Siedelung, Gesellschaft,
Arbeitsgruppe usw. ist der reflektive Mensch nicht

etwa wertvoller als der schöpferische Mensch, aber
er ist einfügsamer, beispielhafter, anschlußvermit-
telnder. Sein Beispiel wirkt, obwohl es ein mittelbares
ist, doch unmittelbarer, verständnishafter.

Will nun der denkfähige Mensch sein Nachdenken
zur Geschmacksübung ausbilden, so muß er die
Gegenstände, die er bedenkt, auf ihren Zweck erneut
einstellen, bzw. sie erneut für den Zweck schaffen;
so muß er die Räume, in die er sie einbringen will,
bestimmend mitsprechen lassen, einwirken lassen auf
das Aussehen jener einzubringenden Dinge; so muß
er äußere unvermeidliche Einflüsse erkennen und
ihre Einwirkung auf seine Dinge in seine geschmack-
liche Rechnung setzen. Er muß vergleichen, anglei-
chen, Verhältnis, Maßstab, Gegensatz, Gleichklang
und seine Unterbrechung, Häufung und Vereinzelung
erkennen, suchen, schaffen.

Ein Stuhl muß immer wieder neu für seine Verwen-
dung abgemessen und ausgeprobt werden, darf also
nicht nur aus gesellschaftlichem Herkommen oder

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