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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Michel, Wilhelm: Silber und Glas aus Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0202
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188

INNEN-DEKORATION

SILBER UND GLAS AUS WIEN

Im Verkehr mit den Edelmetallen, mit den Werk-
stoffen Glas und Email, Porzellan und Majolika
hat sich die Wiener Formbegabung seit je besonders
bewährt. Ihr liegt das Feine und Flüsternde, ihr liegt
vor allem jene Leichtigkeit, die nichts mit Leicht-
fertigkeit zu tun hat, sondern die auf einem beson-
deren Sinn für die behutsame, leise, höfliche Begeg-
nung zwischen Hand, Stoff und Form beruht. Man
spürt in Silberformen, wie sie Oswald Haerdtl bei
seiner Fruchtschale (Abb. S. 189 unten) oder bei
seinem Weinkrug (Abb. S. 191) entwickelt hat, eine
liebende, horchende Versonnenheit; und diese geht
darauf aus, die schmale Linie zu finden, auf welcher
Formgedanke und Werkstoff am liebenswürdigsten
und freiwilligsten zusammentreffen. Die fassenden
und stützenden Rundungen, die Henkelkurven
fließen zwanglos und melodisch einher, und ihr Zu-
sammenhang scheint eher einem wachstümlichen
als technischen Gesetz zu folgen. Namentlich zeigt
sich diese Bearbeitungsweise auch sorgsam einge-
stellt auf das, was bei Glas- und Edelmetallgeräten
wesentlich ist: auf Glanz, Widerscheine und das
reiche Spiel des Durchlichts. Sie sind es ja, die bei
diesen Werkstoffen zu Linien und Formen als

weitere Stofftugenden und Ausdrucksmittel hinzu-
treten. Sie mischen den Gebilden ein Element von
Durchgeistigung bei, sie veredeln sie und machen
sie im Wortsinne zu »erlauchten« Dingen, wofern der
Gestalter sie dankbar zu handhaben weiß. Am schön-
sten tritt das in einem so entzückenden Glaskunst-
werk hervor, wie es das »Mozart-Scherzo« der Wiener
Bimini-Werkstätte ist (Abb. oben). Der Künstler,
Fritz Lampl, hat hier ein Zusammenwirken des pla-
stischen Gedankens mit der besonderen, sehr spröden
Formgesetzlichkeit des Glases erreicht, das an sich
schon vom Sinn eines Mozartschen Scherzos erfüllt
ist. Von selbst gleichsam führen die lächelnden
Körperformen der musizierenden Genien, die Arme
und Hände, die Schenkel und Köpfe einen Mutwillen,
etwas Hüpfendes und Neckendes mit sich. Spielt
von außen das Licht in unzähligen schimmernden
Brechungen durch die Gestalten, so glitzern sie auch
geistig von einem herzbezwingenden Humor, dem
eine bezaubernde Selbstironie zur feinsten Würze
wird; und alles, was an Witz und Schelmerei hier
auffunkelt, hat seine Quelle in glockenreinem Le-
bensglück - wie die Musik des wunderbaren Meisters,
nach dem sich das Stück benennt. Wilhelm michel
 
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