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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Möbius, Martin Richard: Stil oder Mode?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0318
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304 INNEN-DEKORATION

»TRINKKELLER FÜR MANNSCHAFTEN DER LUFTWAFFE« WÄNDE UND DECKE: GESCHLÄMMT, BODEN: KLINKER

Stilbildungen allzu früh mit malerischen oder
kunstgewerblichen Absichten zusammenzubringen,
erscheint auf Grund geschichtlicher Beobachtungen
immer gefährlich. Ist ein Stil durch die unerschütter-
lichen Bedingungen einer Epoche allmählich ge-
festigt oder gereift, erträgt er wohl die künstlerische
Ausgestaltung. Man denke an die Entwicklung der
antiken Säule aus der Notwendigkeit, für eine ge-
wisse Last die Stütze zu finden. Zunächst herrschte
die einfache dorische Lösung der Säule und ihres
Kopfes. Dann kamen die Säulen mit ionischem,
äolischem und schließlich korinthischem Kapitäl —
immer stärker wurden die schmückenden Elemente
gegenüber den konstruktiven. Trotzdem ertrug dieser
Stil die dekorative Belastung, weil er erst belastet
wurde, als er fertig war. So groß ist die Wirksamkeit
des ursprünglichen Gedankens, der die Säule schuf,
daß diese durch die Jahrhunderte immer wieder
stilistischer Bestandteil der Baukunst werden konnte.

Neue Bedingungen verknüpften sich mit der alten
Erscheinung der Säule — mit anderen Worten: zu
dem Ereignis der Neubildung gehört immer die Vor-
aussetzung, daß zwei Elemente aneinandergeraten!
Ob beide Elemente alt oder schon immer dagewesen

sind, ob eines davon neu, das andere alt ist, spielt
nun für die Unterscheidung von Mode und Stil eine
wesentliche Rolle. Der Stil bedarf stets des Hinzu-
tritts neuer Elemente, um aus der Vereinigung von
Alt und Neu zur Entwicklung zu kommen - die
Mode erscheint hingegen immer wieder als Variation
alter Elemente in neuem Zusammenhang. Der goti-
sche Stil entstand durch den Gedanken eines neuen
Konstruktionsideals, demonstriert an etwas Vor-
handenem. In Italien trug man aus Abneigung gegen
diesen Stil den Gedanken der Renaissance in die
Baukunst, und es entstand abermals ein neuer Stil.
Aus der Renaissance zweigte sich das Barock ab,
als der Gedanke der festlichen Repräsentation ge-
zündet hatte. Und diesem Barock gab abermals ein
Gedanke neue Entwicklung: der Gedanke des Ro-
koko, aus dem Lebensgefühl der Unruhe heraus
sämtliche Materialien zum Ornament der Unruhe
zu machen - worauf schließlich der Gedanke der
Ruhe im ersten Kaiserreich den Klassizismus her-
vorbrachte, dessen Entartung im Modischen z. B. Von
den Grabsteinen des 19. Jahrhunderts abzulesen ist.

Es gilt nun aber auch jene Erscheinung zu wür-
digen, daß jeder Stil eine Zeit der Herrschaft gehabt
 
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