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i lummer 6.

Internationale Sammler-Zeitung.

Seite 85


Die Kupferstirtisammlung Lanna.

Rach der Sammlung des Potsdamer Professors W.
£. Schreiber kommt nun die des Ritter uon Eanna aus
Prag unter den Hammer. Cs ist vielleicht die größte Sammlung
in deutschen fanden, und Wehmut beschleicht einen bei dem
Gedanken, dalj sie nun in alle Welt zerstreut roerden soll.
Denn daran, daf] die 3075 Stücke, die der non der
Kunsthandlung H. G. Gutekunst in Stuttgart ausgegebene
Katalog ausroeist, in einer Hand oereinigt roerden, ist roohl
nicht zu denken. Das eine roird dahin, das andere dorthin
wandern, und man roird es als eine glückliche Tilgung
preisen dürfen, roenn unsere JTluseen bei dem Wettbewerb
nicht ganz leer ausgehen. Öffentlichen Instituten ist es
schwer, mit den amerikanischen Rabahs zu konkurrieren.
Cs würde zu weit führen, im einzelnen auf den In-
halt des 200 Seiten füllenden Kataloges einzugehen, es sei
nur darauf hingeroiesen, dafj in der Sammlung Eanna
aufjer den in grofjer Zahl und in vorzüglichen Exemplaren
oorhandenen frühesten Erzeugnissen der Holzschneide-
kunst und den Inkunabeln des Kupferstiches, die
Werke der grofjen Kleister des fünfzehnten und sechzehnten
Jahrhunderts in einer Schönheit und Vollständigkeit ver-
treten sind, roie sie auch bei Versteigerungen der größten
Sammlungen der letzten Jahrzehnte nicht zu finden waren.
Besonders heroorgehoben zu roerden verdient das herrliche
Werk Albrecht Dürers (Kupferstiche und Holzschnitte) mit
seinen prachtvollen Drucken, und seinen vielen groljen
Seltenheiten, dem sich diejenigen non Hans Baldung Grien,
Hans Burgkmair, Eukas Cranach und Holbein, sowie her-
vorragende Blätter von Israel van Rleckenem, Schongauer,
Kleister mit dem Krebs, Kleister von Zroolle u. a. würdig
anreihen. Großartig vertreten sind auch die Werke der
Kleinmeister flldegrever, Altdorfer, Barthel, Beham, Hans
Sebald Beham, Binck, Alaert Claes etc.
Unter den Stichen der italienischen Schule enthält
die Sammlung Hauptblätter von Giov. Antonio da Brescia,
Campagnola, Klantegna, Ricoletto da Klodena, Raimondi,
sowie eine Anzahl vorzüglicher Riellen und eine prächtige
Serie von Holzschnitten in Clair obscur.
Von den Riederländern ist in erster Einie Rembrandt
zu nennen, von dem der Katalog nicht weniger als 242
Blätter in ausgesucht schönen und seltenen Drucken ver-
zeichnet. Rembrandts Schüler sind mit ihren besten Arbeiten
vertreten, ebenso Goltz ins und Ostade.
Über die Entwicklung dieser einzigen Sammlung
schreibt Professor Dr. Hans W. Singer: „Selten ist die
Entstehung und Cntroicklung einer Kupferstichsammlung
auf so normalen, verständigen Wegen vor sich gegangen,
roie in diesem falle. Herr von Eanna sammelte Kleinkunst
und wurde auf die Kupferstichvorlage eines kunstgewerb-
lichen Objektes aufmerksam gemacht. Cr lief) sich diesen
Kupferstich, sodann andere Ornamentblätter besorgen. So
bekam er Kenntnis von einigen der schönsten Crzeugnissen
des 16. Jahrhunderts. Ganz von selbst und in der natür-
lichsten Weise entfaltete sich bei ihm ein warmes Interesse
und ein sicheres Verständnis für die Schönheiten der
graphischen Kunst. Cs war nichts erzwungenes, von auljen
Aufgedrängtes dabei; man wundert sich bei dieser Ent-
stehung nicht über den feinen Geschmack und die roarme
Begeisterung, die sich in diesem langjährigen Werk der
Eiebe, in dem allmählichen Werden dieser schönen Kupfer-
stichsammlung offenbaren.
Das reiche Vorhandensein des Ornamentenstiches in den
Sammlungen erklärt sich schon aus dem Gesagten. Seif den

Tagen solcher Sammlungen, roie der des Sig. Sa ntare 1 li und
des ITlarchese Durazzo, zur Zeit als der Ornamentstich noch
neben allem anderen einem praktischen Bedürfnis entsprach,
ist es roohl kaum so reich vertreten geroesen, roie in dem
Eannaschen Kabinett. Roch seltener hat eine Privat-
sammlung je ein derartig wunderbar abgerundetes 16. Jahr-
hundert aufzuroeisen gehabt, roie mir es hier finden. Von
Hans Sebald Beham fehlen nur sieben der zroeihundert-
neunundfünfzig bei Bartsch beschriebenen Stiche! Dalj
Dürrer prächtig vertreten sei, wurde dann das Rächst-
liegende. Seine Holzschnitte gaben den Anstofj zu den
hervorragenden Baldung- und Cranach-Werken. Rachdem
dies erreicht morden roar, hatte sich der treffliche Geschmack
sowohl, wie der echte Eifer des Besitzers stark entwickelt,
und der Ausbau einer größeren Kupferstichsammlung bis
herab auf ein wunderbares Rembrandtwerk, konnte in An-
griff genommen werden.
Die Eannasche Sammlung ist nicht mit dem Wunsche,
eine Art Geschichte des Kupferstichs in Beispielen zu bieten,
vervollkommnet morden. Jedwede lehrreiche, oder vielmehr
kaltbelehrende Absicht lag außerhalb der Idee des Gründers.
Auch hatte er keine besonderen Schwächen, in die er sich
verrannte. Ulan kann sagen, er sammelte vielmehr nur
das, roas gerade zur Zeit als das besonders Kostbare ge-

?ig. 1.
 
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