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Hummer 8.

Internationale Sammler-Zeitung.

Seite 119

und den gewählten fuxus der Rokokozeit erkennen liefj, hatte an
der Tür die bekannte Aufschrift anbringen lassen: „Zu oerkaufen
oder zu vermieten.“ Jedoch die fiebhaber solch eines alten Ge-
bäudes, die in den unwohnlichen Räumen mit den Geistern der
galanten Zeit Zwiesprache halfen wollten, stellten sich nicht ein;
und der Zettel hing bereits recht lange daran, als eines Tages bei
dem Besißer eine Dame non elegantem Äußern und vornehmem
Auftreten vorsprach, d e während der Dauer ihres Aufenthaltes in
Paris das Hotel mieten wollte. Die Dame, eine Engländerin, nannte
ihren Flamen, der recht einfach und unauffällig klang, aber sie
bestach den Wirt durch ihre feinen monieren und ihre uollendete
Konversationskunst.
man kam überein, daß sie das alte Gebäude für ein Jahr
mieten wollte, und sie bezahlte im voraus. Doch die Dame knüpfte
eine Bedingug an die Übernahme des Hauses. Bei der Besichtigung
des Hotels hatten ihr die Wandgemälde des großen Saales, die,
uon dem leichten Pinsel eines Rokokomalers mit entzückender Grazie
hingeworfen, allerlei laszive Geschichten der lllythologie erzählten,
sehr mißfallen. „Diese Gemälde sind skandalös,“ hatte sie gesagt,
„Ich könnte ihren fortwährenden Anblick nicht ertragen, ohne auf
das Empfindlichste in meiner Würde als ?rau verleßt zu werden.
Alan muß sie entfernen!“ Der Besitzer war erschrocken, entrüstet:
„Diese wundervollen Bilder entfernen! Was denken Sie, ffladame.
Das sind wunderem le Kunstwerke uon ersten meistern der Regence.
Ich sollte im Gegenteil meinen, daß der Anblick solcher Bilder ein

Reiz mehr für den zukünftigen Bewohner meines Hauses wäre.“
„mein Herr, diese Bilder sind shoking, direkt schauderhaft! Es sind
Aacktheiten und ihre Stellung verleben das Schamgefühl, fassen
Sie die Bilder wegkraßen oder ich miete nicht. . . . Oder lassen
Sie sie wenigstens zudecken, dafj man sie nicht sieht.“ Dieser
leßtere Vorschlag schien dem Besitzer eher annehmbar und er liefj
auf die alten Zeugen einer lustigeren Zeit moderne Bilder auf-
leimen, die uon einer ebenso großen langweile und Geschmack-
losigkeit wie Anständigkeit zeugten. Run war die Engländerin
zufrieden, aber sie nahm großen Anteil an dem Einfügen der neuen
Bilder und beteiligte sich selbst an dieser Arbeit. Während des
Jahres war die Dame häufig abwesend und sah nur selten Per-
sonen bei sich. Dann zog sie wieder aus, ließ ihr eigenes lllobilar
verkaufen und verschwand aus Paris.
Als nun von neuem der Zettel, der den Verkauf oder die
Vermietung des Hotels anbot, aufgehängt war, da beschlofj man,
die schlechten Bilder wieder zu entfernen, die die entzückenden
Kompositionen des XVIII. Jahrhunderts verhüllt hatten. Aber ach,
als man die modernen Bemalungen abgenommen hatte, da sah
man die Wandfüllungen leer: die Engländerin hatte die echten
Bilder herausgenommen und war mit ihnen auf Dimmerwieder-
sehen verschwunden. Alle llachforschungen waren erfolglos, und
die schönen Rokokowerke zieren jeßt wahrscheinlich das Palais
eines amerikanischen llabobs, der von ihrer Geschichte nichts ahnt.


Die Pariser Kosfümausstellung.

Aus Paris wird berichtet:
Die Kostümausstellung, die die Pariser Gesellschaft für
Kostümkunde veranstaltet und aus der ein Kostümmuseum
hervorgehen soll, ist nun eröffnet worden und bietet einen impo-
nierenden Eindruck.
nachdem man schon am Eingang durch einige ganz stil-
gerecht kostümierte Personen gegrüfjt worden ist, tritt man zu-
nächst in das Reich der Prunkwagen und Staatskarossen, die
durch prachtvolle Holzschnißereien und schöne Bemalungen zu voll-
kommenen Kunstwerken ausgeschmückt worden sind. Ein Gala-
wagen aus der Zeit fudwig XV., mit herrlichen Bronzebeschlägen,
zu dem das prachtvollste Sattelzeug gehört, ist von Aapoleon 1.
benutjt worden. Unter den Sänften findet man ein besonderes
Prachtstück, das der Herzogin von forges, der Schwiegermutter
Saint-Simons, gehörte. Ein zweisißiger Schlitten mit einem hohen
Viaggenstock, an dem bei der Vahrt ein lustiger Wimpel flatterte,
ist verziert mit der ganzen ausgelassenen Schmucklust der Rokoko-
ornamentik; den Kutschersiß, der hinter dem’Vond als schmaler
Sattel angebracht ist, hatte einst fudwig XV. selbst eingenommen,
um die schöne Ulme, de lllailly durch die winterlich strahlende
fandschaft von Versailles zu kutschieren. Dicht weit non diesem
zierlichen Gefährt steht schwerfällig, gemütlich und ehrwürdig eine
alte Diligence, ein ganzes kleines Gebäude, dem man es ansieht,
dafj die Reisenden damals Tage und Wochen unterwegs verbrachten
und sich nach Kräften in ihrem Wagen häuslich einrichteten. Unter
dem Wagen befindet sich ein kleiner Vorratskeller, in dem be-
sonders die für die Erheiterung der Reisenden so notwendigen
Weinflaschen untergebracht wurden, mit allem ist dieser Wagen
ausgerüstet, mit e nem Eoupe für das Gepäck, sogar mit einem
besonderen Hutkoffer, mit Hintersten für die fakaien, mit Riemen
zum Aufschnallen besonderer fasten und mit einem Regendach, das
über den Wagen gezogen werden kann.
An Kuriositäten seien ein Dromedarsattel genannt, auf dem
Dapoleon I. während des ägyptischen Veldzuges ritt, ein sehr be-

quemer Sattel mit Polstern vorn und hinten, dessen sich der alt
gewordene fudwig XIV. bediente, um noch recht gerade im Sattel
sißen zu können; dann besondere fuxusgegenstände, deren man
sich beim Reiten bediente, samtne Satteldecken mit Goldbordüren,
silberbelegte Zügel, kostbare Reitpeitschen usw. Da ist ein Gewehr,
das die Stadt Paris fudwig XV. schenkte, dort liegen die Säbel, die
die Generale Kleber und JTlurat in manchen heißen Schlachten ge-
schwungen. Ein sehr bequemer Sattel hat Thiers gedient, als er
den König fouis Philippe, der auch kein großer Reiter war, bei den
Truppenrevuen begleitete. Das eigentliche Reich der lllode öffnet
sich in den großartigen Sammlungen von Roben und Prunk-
gewändern, von Kleidungsstücken aller Art, die zusammengebracht
sind. Da sieht man die hohen Stöckelschuhe, durch die die Höf-
linge fudwigs XIV. ihrer fänge noch einen Zoll zuseßten, und be-
greift nicht, wie man mit solchen Dlarterwerkzeugen gehen konnte.
Verwundertes Kopfschütteln erregen die zylinderartigen Strohüte,
die eine zeitlang die Herren trugen, oder etwa die Vrisurengebäude,
die die Damen des Rokoko anlegten. Da ist das Hochzeitskleid
der Kaiserin IDarie fouise, eine ganz mit Seidenblenden beseßte
Empirerobe; da der mit dicken goldenen Eilien bestickte violette
Samtmantel, in dem Karl X. gekrönt wurde. In einer Vitrine be-
wundern wir die niedlichen Tabatieren, Dosen, Büchschen und
anderen Sächelchen aus Silber, Gold, Elfenbein und Email, die
ebenso zu der poetischen Kunst des Schminkens und Puderns, wie
zu dem prosaischen Gebrauch des Tabakschnupfens dienen. Kost-
bare Stöcke zeigen, welchen fuxus die Herren damals trieben, und
die farbigen Westen, die bunten Röcke beweisen überdies, daß sie
dem schöneren Geschlecht an Eleganz nichts nachgaben. Eine Reihe
schöner Gemälde, darunter Werke von IDignard, fargilliere u. A.,
die geschmackvoll in den Räumen verteilt sind, erhöhen noch die
Anschaulichkeit dieser buntschimmernden Kulturbilder, die hier
vorgeführt werden.
 
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