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Seife 226.

internationale Sammler-Zeitung.

Hummer 15.

Schlachtgeroande stehen sie oor uns, „diese grofjen Heren,
die tun die ganze Welt oerkehren“, das Haupt trägt den
spitjen, mit Flasenschirm oersehenen Helm, an dem bis
zum Knie reichenden Panzerrock ist jedes Ringel peinlich
genau ausgeführt, um die Schultern schlingt sich der
mailende ITlantel, die Pinke hält den gemaltigen, fast
mannshohen Schild, die Rechte führt das lange Schwert
mit der tiefen Blutrinne oder die fahne mit breitem, oiel-
ausgezacktem Tuch. Heldenhaft gibt sich auch der Schutz-
heilige oon ITlagdeburg, der hl. JRauritius, einst der führer
der thebaischen Tegion, daher oöllig als ein Kriegsmann
gekleidet, den fürsten und Herren der Hachbarschaft zum
Verwechseln ähnlich; nur zuroeilen deutet der Palmzroeig
oder die Krone des ewigen Tebens, ehrfüchtig nicht mit
der blofjen Hand, sondern geschützt durch ein Tüchlein,
gehalten, oder die sogenannte Rechte auf den oerklärten
ITlärtyrer.
friedsamer sind die Gepräge der Bischöfe oon Halber-
stadt und Hildesheim und der Äbtissinnen oon Quedlin-
burg, Gernrode, Hordhausen; aber dafür setjen einzelne
unter ihnen das Bild ihres geharnischten, schwertbewehrten
Vogtes neben sich oder allein auf den Pfennig, gleichsam
ein Zeichen, dal] auch sie in dieser wilden Welf der
Waffen nicht ohne irdischen Schutz sind, friedlich mutet
uns auch die Gruppe der Brakteaten an, welche wir nach
dem Hauptfundorte als die Odenwälder bezeichnen: ihre
Heimat sind frankfurf a. JTl., Gelnhausen und Umgegend,
und der Blütezeit kaiserlicher macht und hohenstaufischen
Glanzes oerdanken sie ihren Ursprung. Da sitjen in feier-
licher Haltung oor uns im faltenreichen Gewände, auf dem
Haupte eine Krone, in den Händen Szepter und Reichs-
apfel, zuweilen thront neben ihnen die Gattin in gleichem
Schmuck. Gin Abglanz oon der Herrlichkeit des Kaisers,
der zugleich ein Sänger und ein Held, noch bis auf diesen
Tag im Herzen seines Volkes lebt, und jenes im Tiede
gepriesenen fürsfentages oom Jahre 1184, da der Jung-
könig Heinrich im goldenen ITlainz die Schwertleite empfing.
Kriegerisch ist dann wieder die dritte Gruppe, die
der thüringischen Tandgrafen und ihrer mannen. Stattliche
Reitergeschwader ziehen an uns Darüber: auf gepanzertem
Rolj der gepanzerte Herr, niedrig die Helmkappe, am Arme
der kleinere Reiterschild mit dem Tandeswappen, dem
Tomen, oder dem besonderen Abzeichen des Herren, in
der Hand der lange Speer mit der fahne, im felde wohl
das Helmkleinod, ein Kreuz oder sonstiges Abzeichen,
frau Bälde und frau ITlinne trauern einsam auf der oer-
lassenen Wartburg, die sich in jenen Tagen zum erstenmal
als Hort deutschen Geisteslebens heroortat, gen Osten geht
die fahrt, zum Tande des heiligen Grabes, das für so
manchen unter diesen Edlen und fürsten auch nur ein
Grab bereit hält.
Unter solchen Erinnerungen diese unoergleichlichen
Reihen musternd, freuen wir uns, die Kunst des Stempel-
schneiders sich an umfänglichere bildartige Darstellungen
wagen zu sehen, wie sie ihr bis dahin noch fern lagen.
Zwei Halberstädter zeigen uns in übersichtlicher und per-
spektioischer Gruppierung das Illartyrium des heiligen
Stephanus: im Vordergründe bricht der zu Tode getroffene
Heilige zusammen, Haupt und Hände zu der oon oben
hereinstrahlenden Herrlichkeit Gottes erhoben, um ihn oier
männer, die Steine in den Bäuschen ihrer Gewänder und
in den Händen tragend, ihr Werk oollenden. Ein drittes
Stück derselben Gattung setjt diese Darstellung fort: Des
Blutzeugen Teib ruht lang dahingestreckt am Boden, oon
Steinen überdeckt, darüber schweben zwei Engel, die mit
dem Heiligenschein geschmückte Seele gen Himmel führend.
In ungezwungen oornehmer Haltung treten FRarkgraf
Albrecht der Bär und seine Gattin Sofie oor uns hin, ge-
meinsam die fahne, das Zeichen der Herrschergewalt, haltend.

Herzog Bernhard thront, dem Kaiser den Treueid als Herzog
leistend, über dem Wappentier seines überwundenen feindes,
dem Braunschweiger Töwen, neben ihm zwei Edle mit den
Insignien seiner macht, Schwert und fahne. Die Quedlin-
burger Äbtissin erscheint in Begleitung oon oier ihrer
geistlichen Schwestern, Adam und Goa sitzen unter dem
Baume der Erkenntnis, den die Schlange umwickelt.
Vorzügliches leistet man in Tierbildern. Da ist neben
dem Kranich des Tuteger namentlich der prächtige falke
auf falkensteiner Pfennigen, der so stolz seinen Kopf
zurücklegt, als wüfjte er, dafj er in seiner Art einen Ver-
gleich mit den Adlern oon Elis nicht zu scheuen hat.
Ganz besonders aber gelingen den Gisenschneidern die
heraldisch stilisierten Tiere, deren etwas steifere Haltung
ohnedies der romanischen Kunst entspricht. Der Braun-
schweiger Töwe, der Goslarer Adler, der Greif oon Tobde-
burg u. a. erscheinen in geradezu mustergiltiger Stil-
gerechtigkeit.
Heroorragendes Geschick oerraten auch die Architek-
turen. Sonst bieten ja die Gebäude auf mittelalterlichen
münzen nicht allzuoiel Interesse, sondern sind in derselben
Zeit und Gegend meist ziemlich gleichförmig gezeichnet,
und zwar ohne Perspektioe, so dafj z. B. die auf rheinischen
und westfälischen Pfennigen des 13. Jahrhunderts schein-
bar dargestellte breite Säulenhalle mit einem Turm in der
mitte als ein oon einem Turm überragtes und oon Säulen
beiderseits umgebenes langes Kirchenschiff aufzufassen ist.
Die Künstler der Brakteatenzeit aber oerstanden es sogar,
oder oersuchten es wenigstens nicht ganz ohne Erfolg,
ein Gebäude perspektioisch darzustellen, in dessen mitte
sie ihren Herzog, ihre Äbtissin thronen liefen: scheinbar
über dem Dargestellten erhebt sich ein bogenförmiges
JTlauerwerk, das hinter ihm sich hinziehend zu denken
ist. Überhaupt wird das Bild des fürsten, des Heiligen,
des Wappentieres gern in Verbindung mit einem Gebäude
gebracht: es thront schütjend über ihm, es schaut geruhig
aus seinen fenstern, es tritt wachsam in seine Tür: min-
destens gibt die Architektur einen Rahmen, ein zierliches
Geländer zur Ausschmückung und füllung des Raumes her.
Die Palme unter diesen Stücken dürfte ein Brakteat
Ottos I. oon Brandenburg durch Reichtum der formen oer-
dienen: die umfängliche Architektur, eine stattliche Burg
mit Ringmauer, Palas, Bergfried und dem Barbicane ge-
nannten Vorbau ist oiel zu schön, um als Abbild des
gewifj recht dürftigen Schlosses zu Brandenburg, Salzwedel,
oder wo sonst der fürst residiert haben mag, gelten zu
können. Vielleicht erfüllten den Stempelschneider Vor-
stellungen jener Himmelsburg, die als Walhall, fflontsal-
watsch und himmlisches Jerusalem die Sehnsucht der Jahr-
hunderte war.
Reiche Phantasie hat endlich auch das Bei- und Zier-
werk gestaltet; auf dem Rande prangen Blattranken, das so
sehr beliebte JTlotio romanischer Kunst, zierliche Ringel
zur Kette aneinander geschlossen, oerschiedene Arten oon
Strichelung, die auf Tausitjer Pfennigen gar an die Ver-
zierungen oorgeschichtlicher Topfware erinnert. Auch er-
scheint das ITlünzbild in den der Kunst sonst so geläufigen
bogigen Einfassungen: Drei-, Vier-, Sechspafj usw., und
in dem freibleibenden felde finden sich dann nochmals
Ringel und Strichel aller Art in wechselnder Anordnung.
In dieser reichen Ausgestaltung der Einrahmung und des
Beiwerkes zeigt sich ein Zug der Hinneigung zu der Kunst
des'Schreibers und ITlalers, die ja damals eng oerschwistert
waren, und in den oft kunstoollen ITliniaturen der Hand-
schriften gemeinsam ihre Triumphe feiern. Diese Hin-
neigung ist keine besondere Eigentümlichkeit der Brakteaten-
prägung, sie findet sich ganz allgemein ausgesprochen in
der überaus häufigen Verwendung oon Buchstaben als
Hlünzbild und Randoerzierung, der großen Beliebtheit rein
 
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