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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

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Nummer 18 (15. Oktober)
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Seite 282.

Internationale Sa mm ler- Zeitung.

Rümmer 18.

Die richtige Benutzung einer Sammlung wie der oor-
liegenden muß notroendig eine wissenschaftliche sein. (Eine
Sammlung, die in erster Einie dem unmittelbaren künst-
lerischen Genüsse eines modernen Menschen dienen soll,
wird wesentlich anders aussehen.) Unter geschichtswissen-
schaftlichen Gesichtspunkten ist diese Sammlung zusammen-
gestellt worden. Ich bin weit daoon entfernt, die Bedeutung
der Bibliographie als historischer Disziplin zu über-
schätzen, aber einen etwas besseren Platz 'm Kreise der
historischen Hilfswissenschaften, als man ihr bisher ein-
geräumt hat, oerdient sie doch wohl. Rian darf es bei-
spielsweise wohl als eine Kuriosität bezeichnen, daß in
der weitläufigen, ja schon gänzlich unübersehbaren Eiteratur
über Goethes faust sich nirgends eine erschöpfende Dar-
stellung der Drucknerhältnisse der ersten Ausgaben, der
rechtmäßigen und der unrechtmäßigen, findet, und daß in
den gelehrtesten Kommentaren und Monographien seit
Jahren immer dieselben Irrtümer und Ungenauigkeiten

Wunsch, dereinst einen Katalog der zusammengebrachten
Seltenheiten und Merkwürdigkeiten mit ausführlichen Er-
läuterungen bibliographischen und sonstigen Inhalts drucken
zu lassen. Aber um einen solchen catalogue raisonne
wirklich und fertig herauszubringen, muß man wohl Konsul
auf Haiti sein, wie Grisebach, oder non einem Stabe wissen-
schaftlicher Sekretäre umgeben, wie Pierpont Morgan, oder
man muß doch im Ruhestande procul negotiis sich ganz
seinen Büchern widmen können. Da ich weder Konsul
auf Haiti noch Pierpont Morgan jemals sein werde, ein
otium cum dignitate aber in den nächsten 25 Jahren noch
nicht zu erwarten habe, so — so ist aus dem catalogue
raisonne ein Auktionskatalog geworden.
Das Streben des Sammlers ging auf Original-Aus-
gaben der deutschen Eiteratur seit zirka 1750, wobei das
Hauptinteresse dem achtzehnten Jahrhundert zugewandt
war. Die Tendenz auf Vollständigkeit, die ja wohl die
psychologische Grundlage jeder Sammelpassion ist, hatte

?ig. 5. Handzeichnung Goethes. Entwurf zu seinem Grabmal in Rom.


wiederholt werden, ohne daß oon den zahlreichen faust-
Spezialisten sich einer die Mühe machte, die fragen in
einer genauen Untersuchung endgiltig zu erledigen. Als
Vorbild musterhafter und ergebnisreicher bibliographischer
Untersuchungen sind mir immer die Arbeiten oon Bernhard
Seuffert und Milchsack erschienen, und ich meine, daß
gerade der wissenschaftlich interessierte Bücherliebhaber
in Arbeiten dieser Richtung ein weites Betätigungsfeld
findet, auf dem er leichter als der Eiterarhisforiker non
Beruf Häßliches leisten kann, weil seine Eiebhaberei ihm
das Untersuchungsmaterial bequem zur Hand gibt, das
der Berufsarbeiter sich mühsam und unoollkommen in den
Bibliotheken zusammensuchen muß.
In diesem Sinne, als Material für bibliographische
Untersuchungen, habe ich meine Bücher zu nußen gesucht,
solange meine Mußestunden dies möglich machten. Einiges
wenige oon den dabei gemachten Beobachtungen habe ich
einem kleinen Kreise bekannt gegeben: non anderem finden
sich hier und da Spuren in diesem Verzeichnisse. Schon
bald nach Beginn meiner Sammeltätigkeit hatte ich den

auch ich natürlich. Doch sind dem Prioatsammler schon
durch die Endlichkeit oon Raum, Zeit und Geld natürliche
Schranken geseßt, die jede Vollständigkeit für ein so weites
Gebiet, wie die deutsche Eiteratur seit 1750, gänzlich aus-
schließen. Rur bei einzelnen Dichtern wurde Vollständig-
keit in dem Sinne angesfrebt, daß ich jede selbständig
erschienene Druckschrift oon ihnen zu erwerben suchte.
Daß ich dabei sehr stattliche Serien zusammengebracht
habe, zeigt der Katalog.
Als den an Seltenheiten reichsten Teil der Sammlung
möchte ich die Eessing-Gruppe ansehen, bei der mich
das Sammlerglück besonders begünstigt hat. Die alte
Jungfer, der Eremite, die Gefangnen, die Kleinigkeiten non
1751 sind wirklich sehr seltene Stücke, auch im strengsten
Sinne des Wortes. Eines oder das andere non ihnen haben
Eessing-Spezialsammler wohl besessen, alle zusammen sind
aber noch in keiner der Sammlungen, über die Kataloge
gedruckt oorliegen, Bereinigt gewesen.
Die Sammlung Wieland’scher Jugendschriften ist
zwar nicht uollständig, aber doch reichhaltiger als sie in
 
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