Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Internationale
^'ammler-gßifuiifl
Zenfralblaff für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Harbert ehrlich und J. Hans Prosl.

1. Jahrgang.

Wien, 15. Dezember 1909.

Hummer 22.

Bürtierliebhaber.
Von Hermann Hlenkes. Wien.

■ nter oielen anderen Dingen ist in meiner Biblio-
thek eine ganz kleine Sammlung französischer
Bücher aus dem achtzehnten und dem Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts, die ich roie einen
> Schaf] bewahre. Sie sprechen, so oft ich in
diesen zierlichen Bändchen, an welchen etwas
Wim non der Anmut eines Volkes ist, blättere, auch
äußerlich zu mir oon einer «ergangenen Zeit,
einem oergangenen Geschmack, non denjenigen,
die sie hergestellt und jenen, die sie gelesen und
(_=_J wohl auch geliebt haben. Dokumente einer Kultur
sind sie, die sich auch früh auf das Buch und dessen
Ausstattung erstreckte.
Cs war die Zeit, die oor einer großen, umwälzenden
und erschreckenden Epoche stand, als sie herauskamen,
und es ist an ihnen eine Spur jener heitern, spielerischen
und koketten Art, die das Rokoko besaß. Durch ihr Vormat
gleichen sie jenen minutiösen Gegenständen, die man
damals liebte, die Schrift hat die anmutigste form und
wirkt auf den kleinen, gar nicht ausgenüßten flächen der
Seiten geradezu dekorati«, die beigegebenen Stiche oder
Zeichnungen sind «oll der frioolen Grazie der Watteau-
schule und ihrer Vorgänger. Da ist eine französische Aus-
gabe des „Don Quichotte“, eine Wertherie als erste fran-
zösische Rachahmung der Goetheschen Dichtung, einige
Bände Casanooa, eine Übersetjung oon ITliltons „Verlorenem
Paradies“ und einige der Prosaschriften uon Voltaire und
Bossuet. Jedes dieser Bücher hat charakteristische lllerk-
male, ist seinem Inhalt genau angepaßt. Da hat der Spott
im Stift des Zeichners oder durch die Radel des Kupfer-
stechers noch seine Eiebenswürdigkeit, die frivolität Schön-
heit und das Pathos einen markanten Stil, die ganze
französische Hofe.
Bücher waren non jeher in frankreich eine Sache
für Eiebhaber, und niemals durfte sich ein Buchdrucker oder
Verleger einer Geschmacklosigkeit schuldig machen. Das
Eesen war kaum eine oielen geläufige Kunst, war
keine llebenbeschäftigung der massen. Es gab nur fein
kultioierfe Eeser, die während der Eekfüre auch mit den
Augen genießen wollten, feine, gepflegte Hände durch-
blätterten die Seiten, trugen in die Ex libris ihre flamen
ein. Hie und da wurde ein Saß unterstrichen oder eine
Randnotiz gemacht, in welcher sich eine geheime Empfin-
dung uerriet oder ein Geschmack sich aussprach. Es herrschte
ein tiefes, ja zärtliches Verhältnis zwischen Eeser und Buch,
man hatte noch Zeit, einzelne schöne Stellen in ein Tage-

buch einzutragen und über Abschnitte Diskussionen zu
führen. In einem Eande, wo Sprachsünden «erfehmt sind,
und das die klassischen Briefschreiber heroorbrachte, war
jeder Eeser ein Stilist und schon damals ein Bücherlieb-
haber, wie er in dieser Art auch jeßt bei uns häufig an-
zutreffen ist.
meine kleine Sammlung «errät, daß ihre frühem
Besißer distinguiert waren. Die Blätter sind wie unberührt,
nirgends oerbogen und auch die Einbände sind geschont,
meinen leßten Vorgänger kannte ich noch par distance.
Der war ein Abkömmling einer deutschen Patrizierfamilie,
die in eine entlegene und kulturarme Prooinzstadt «er-
schlagen wurde. Es war ein alter Junggeselle, einer oon
den einsamen, «erschwiegenen und «ornehmen Menschen,
die in ihrer Zurückgezogenheit in freien Stunden sich zu
Büchern wie zu erlesenen freunden flüchten. Vielleicht
liebte er französischen Esprit doppelt in einer Umgebung,
die ihn wohl wenig anmutete, das Vergangene um so mehr
in einer nüchternen Gegenwart. Vielleicht auch hatte es
einen grofjen Reiz für ihn, diese Bände in die Hand zu
nehmen, die in seiner familie eine Generation der andern
als Erbstücke hinterließ.
Die Bücherliebhaberei ist in den Kulturländern, nament-
lich in England, alten Ursprungs und ich erinnere an jenen
Bischof und Kanzler Edwards III., an Richard de Bury,
der das „Philobiblion“ «erfaßt hat und der oor seinem
Tode Bücher als Heilmittel gegen jegliche Unrast pries. In
Deutschland hatte man einst eine Buchkunst und es gab da
oon jeher Büchersammler wie anderwärts. Aber im «origen
Jahrhundert wurde die Buchausstattung ein industrielles,
unkünstlerisches Erzeugnis. Es gab Büchersammler mit
wissenschaftlichen Zwecken, die Eiebhaber aber waren dünn
gesät. Die Bücher aus jener Zeit sind mit ihrer Ausstattung
nichts anderes als Dokumente eines Verfalls nach einer
langen Blütezeit der Buchkunst. Wem haben nicht Chodo-
wieckis Illustrationen Deutschlands bürgerliches Eeben im
achtzehnten Jahrhundert lebendig gemacht? In Eondon wurde
der Roxburghe-Club, der schöne Drucke herstellen ließ, die
nicht in den Handel kamen, schon 1813 begründet. Bei uns
schuf erst f. oon Zobeltiß mit seiner 1897 begründeten
„Zeitschrift für Bücherfreunde“ durch «ielfache Anregungen
einen Wandel. 1899 wurde in München die Gesellschaft
der Bibliophilen begründet, die größere Kreise umfaßt.
Ihr ist die Publikation des mehrfach hochinteressanten
deutschen Anonyma-Eexikons zu danken.
 
Annotationen