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Seite 66

Internationale Sammler-Zeitung

Nr. 9

Was an alle diese Interessenten abgegeben worden
ist, sind selbstverständlich stets Dubletten im wört-
lichsten Sinne gewesen. Bedarf es wirklich einer Ver-
sicherung, daß die Fachleute, die die Auswahl getroffen
haben, sich der Schwierigkeit und Verantwortlichkeit
des Unternehmens voll bewußt waren? Ist es nicht
kindisch, ihnen mit Etats und Wasserzeichen und solchen
Kenntnissen aus der Taferlklasse derGraphik zu kommen?
Es wurden alle Vorsichtsmaßregeln bei der Prüfung der
Dubletten getroffen: es werden die Dubletten von den
Beamten der Albertina genau geprüft, vom Direktor
überprüft, dann einer Kommission aus sieben graphischen
Fachleuten vorgelegt, die sie nochmals in oft wochen-
langer Arbeit untersuchen. Es ist niemals ein Blatt aus
der Albertina weggekommen, das nicht von dieser Kom-
mission einstimmig als eine Dublette und als ent-
behrlich für die Albertina erklärt worden wäre; hatte
auch nur e i n Mitglied ein Bedenken, so wurde das
Blatt sofort zurückgezogen. Die Kommission besteht aus
den graphischen Künstlern S c h m u t z e r, J u n k, Coß-
mann, aus den Kunstgelehrten Schubert-Soldern,
Weixlgärtner, Haberditzl und dem Sammler
Dr H. E i ß 1 e r, die sich dieser Arbeit mit größter
Gewissenhaftigkeit unterzogen haben. Hätte man wirk-
lich Herrn Felix Salten und Dr. Sonnenthal
noch zuziehen sollen? Mit dem schriftlichen, einstim-
migen Gutachten der Kommission versehen, gelangten
die Anträge der Direktion sodann an das Unterrichts-
ministerium, wo sie vom Referenten, Abteilungsleiter,
Sektionsleiter abermals geprüft und eventuell am Ende
vom Minister genehmigt wurden, dem die verfassungs-
mäßige Verantwortlichkeit zufällt. Der Schreiber dieser
Zeilen erklärt aber mit Vergnügen, daß er einen guten
Teil der sachlichen Verantwortung auf sich
nimmt und es sich zur Ehre anrechnet, daß er die An-
träge der Sammlungsleitung zumeist durch alle Schwie-
rigkeiten und Quertreibereien durchkämpfen und da-
durch helfen konnte, die Albertina aus einer wunder-
baren, nur wenigen Interessenten zugänglichen Schatz-
kammer zu einem lebendigen Institut zu machen, das
den Andrang der Besucher kaum bewältigen kann. Er
fühlt sich dadurch allerdings der Albertina so eng ver-
bunden, daß es ihm schwer fällt, über die großartigen
Erwerbungen zu sprechen, die die Albertina in den
letzten fünf Jahren auf Grund der Verwertung von
Dubletten gemacht hat und durch die sie nun auch
dort in der ersten Reihe steht, wo sie früher nichts be-
saß. Was würde es auch nützen? Die Albertina hat
zwei große Ausstellungen in der Sezession und viele
kleine in ihren eigenen Räumen veranstaltet und doch
nur einen Teil ihres neuen Besitzes zeigen können; sie
hat der Oeffentlichkeit stets Rechenschaft von ihrer
Tätigkeit abgelegt. Dennoch kommen Leute daher, die
nichts davon gesehen haben oder gesehen haben
wollen und maßen sich ein absprechendes Urteil über
eine Arbeit an, von deren Mühen und Aufregungen
sie überhaupt keine Vorstellung haben.
Woher stammt diese merkwürdige Feindseligkeit
gegen die Leitung der Albertina? Nach meiner Ansicht
aus drei verschiedenen Quellen: die erste ist die histo-
risch-politische. Es gibt Personen, die in gutem Glauben
den historischen Organismus der Albertina zu vertei-
digen glauben, wenn sie sich gegen den großzügigen

Ausbau der Sammlungen zur Wehr setzen. Alles soll
so bleiben, wie es ist. Dazu kommen die politischen
Bedenken, der Staat soll mit dem von der Dynastie
übernommenen Gute nicht allzufrei schalten, er soll nicht
ein neues Ganzes daraus machen, das vielleicht einmal
wieder schwer auseinanderzulegen sein wird. Das ist
selbst vom monarchistischen Standpunkt in doppelter
Hinsicht falsch; erstens sind die großartigen Sammlungen
der Habsburger eben durch solches Zusammenlegen und
Abstoßen entstanden; zweitens würde der Hof, wenn er
einmal zurückkehrte, dem Staat die schwere finanzielle
Last dieser großen Sammelinstitute gewiß nicht abnehmen,
sondern sie ihm lassen.
Die zweite Quelle ist die künstlerisch-ästhetische.
Der jetzige Direktor hat das Verbrechen begangen, hie
und da auch Blätter von noch lebenden, modern ge-
sinnten Künstlern zu erwerben; das können ihm die
Hüter der patentierten Ideale nicht verzeihen und wieder-
holen, obwohl es niemals offiziell richtiggestellt wurde,
immer wieder die dreiste Lüge: die Kostbarkeiten der
Albertina werden verschleudert, um dafür expressio-
nistische Blätter von problematischem Werte zu kaufen.
Ich wiederhole nochmals, daß das, was Graf Lancko-
ronski und Herr Dr. Sonnenthal und selbstverständ-
lich Herr Professor A. F. Seligmann — dieser ist
natürlich die Quelle der beiden anderen Herren, die ja
die Albertina nicht kennen, so wenig wie übrigens er
selbst — darüber*schreiben, unwahr ist, und daß
nach Berechnung des Direktors 95% aller verausgabten
Mittel zum Ankauf von Werken solcher Künstler ver-
wendet werden, die völlig tot sind, 4 ’/2 °/0 für Werke
von allgemein anerkannten, konservativen, lebenden
Künstlern, und nur weniger als r/3 % für sogenannte
„Moderne“. Diese Blätter zu kaufen ist selbstverständ-
liche Pflicht einer großen Sammlung, die alle Richtungen
zeigen und, was sie heute nicht erwirbt, später teuer
nachschafren muß, so wie jetzt alles aus ähnlicher Ver-
zopftheit im 19. Jahrhundert Versäumte mühsam nach-
geholt werden mußte.
Die dritte Quelle ist die der persönlichen Gehäs-
sigkeit. Ein junger Direktor hat Feinde, die ihm seine
Erfolge neiden; Transaktionen, die in die Milliarden
gehen, erwecken Begehrlichkeiten. Wie leicht werden
da Interessen verletzt! Ein Sammler, dem die Albertina
ein wertvolles Stück nicht abkaufte, weil er zu viel
dafür forderte, ein Künstler, dem ein Expressionist (!)
vorgezogen wurde, ein Händler, der nicht einsieht, daß
er nicht dieses Geschäft machen soll — wie leicht gibt
es einen Grund zur Verstimmung und zur Gehässigkeit!
Und wie leicht bricht sich diese in eine Zeitung Bahn,
wenn deren Mitarbeiter so leichtfertig vorgehen!
Und hinter ihnen allen steht gütig und beschützend
die Wienerische Abneigung gegen alle Aktivität, das
eingefleischte Mißtrauen gegen alles Regsame und Le-
bendige. Wer hier schaffen will, ist schon verdächtig.
Hätte die Direktion der Albertina auf den Lorbeeren
des Herzogs Albert von Sachsen-Tesch en ge-
ruht, sie erfreute sich allgemeiner Sympathien; da sie
aber etwas machen will, aufbauen, neuordnen, ausge-
stalten, erwerben, ist sie verdächtig. Wie unösterreichisch
von ihr, das tägliche „Da — muß — was — g’schehn“
wirklich in Taten umzusetzen !

T)er Sraphiker SToutouse-ßaufrec.

Aus Berlin wird uns geschrieben:
In dem vor kurzem eröffneten Buch- und Kunst-
Antiquariat Heinrich Tiedemann (Unter den Linden
12—13) wird in einer feingewählten Sonderausstellung

eine Auswahl des graphischen Werks von Henri de
Toulouse-Lautrec gezeigt.
Wenn vor Monaten bei Matthiesen mit einer Aus-
stellung von Gemälden bewiesen werden sollte, daß der
 
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