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Internationale
^ammler-Zeifunfl
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber; Norbert Ehrlich.
17. Jahrgang. Wien, 15. Mai 1925. Nr. 10.

IflocFi einmal’ die SRfßerfina-^ußfetten.
Von Prof. Dr. Hans Tietze, (Wien).

Ich bin gefragt worden, ob ich nicht Lust habe,
auf die Scheinantwort, die Herr Salten meinen Aus-
führungen an dieser Stelle (1. Mai 1. J.) in der „Wiener
Allg. Zeitung" erteilt hat, in entsprechender Weise zu
erwidern; nun, ich will mich nicht besser machen, als
ich bin und gestehe, daß es mich schon einen Augen-
blick gejuckt hat, mein „Räuberzivil" anzuziehen — wie
man beim Militär zu sagen pflegte — und den Unter-
schied zwischen Grobheit und Unhöflichkeit allgemein
verständlich zu erläutern. Aber es ist etwas in dem
Salten’schen Artikel, was mich vollkommen entwaffnet
hat; er schildert mich als einen typischen Beamten,
eingefleischten Bürokraten und Schimmelreiter, eine
Definition, die auf mich paßt, wie die Faust aufs Auge.
Wenn das nicht geflissentlich Faust aufs Auge sein
sollte — ich meine ein faules Knockout der Polemik
—, was anzunehmen ich keine Ursache habe, so muß
ich mich an den Kopf greifen und mich fragen : Ist es
möglich, man lebt Jahrzehnte nebeneinander, ungefähr
Altersgenossen und in einem ziemlich gleichen Milieu
und einer kennt den anderen so wenig, daß er von ihm
eine Charakteristik gibt, die so gar nichts mit ihm zu
tun hat und die — leider — bei seinen Vorgesetzten das
heftigste Kopfschütteln erregen muß. Wie viele Menschen
gibt es denn in Wien, die sich für seinen Kulturbesitz
ernstlich interessieren, ist es wirklich das Wichtigste, was
diese machen können, daß sie sich gegenseitig die Köpfe
herunterreißen und das beklagenswerte Schauspiel der
Wiener Künstlerschaft wiederholen, die sich in so viele
einander wütend bekämpfende Lager gestellt hat, daß
sie davon wirtschaftlich und moralisch den schwersten
Schaden leidet. Ich frage mich, sind diese Differenzen
wirklich so groß und unüberbrückbar und möchte deshalb
— einmal müssen wir doch zu einem Ende gelangen —
festzustellen versuchen, über welche- Punkte wir einig
sind und worüber noch Meinungsverschiedenheiten
bestehen.
Punkt 1. Das Ansehen Wiens. Selbst-
verständlich stimmen wir darin überein, daß das An-
sehen Wiens in jeder Hinsicht, auch in künstlerischer
und musealer, gehoben werden soll. Nur meinen die
einen — in diesem Falle — es geschehe dies am besten
dadurch, daß man eine sensationelle Auktion hieher ver-
legt, die anderen dadurch, daß man versucht, einen
möglichst großen Erlös für die Albertina zu erzielen,
um diese immer mehr zu einem Institut allerersten

Ranges auszubauen. Ueber Leipzig und Börner und
diese Dinge will ich nichts mehr reden, das ist ja zur
Genüge geschehen; auch gibt es kein Argument gegen
das unbekehrbare „Aber doch“. Aber auf etwas möchte
ich aufmerksam machen. Es ist gesagt worden, eine
Auktion sei unter allen Umständen der beste und
anziehendste Abstoßungsmodus. Das ist nicht ohne jede
Einschränkung richtig. Denn man muß sich bei einer
großen Auktion auf Monate vorher binden, was bei der
herrschenden wirtschaftlichen Unsicherheit bedenklich
werden kann. Das Wichtigste für den finanziellen Er-
folg einer solchen Auktion sind nicht die großen Kanonen,
die Hauptstücke, die im Katalog mit zwei Sternen aus-
gezeichnet sind, sondern vielmehr der breite Durch-
schnitt; um erstere braucht man niemals bange zu sein,
die haben und behalten ihren Weltpreis, aber letztere
können einem liegen bleiben, wenn die Stimmung
schlecht ist und nicht viele mittlere oder kleine Käufer
da sind, d. h. ein gut organisierter Graphikmarkt vor-
handen ist.
Wie steht es in dieser Beziehung mit Wien? Wir
wissen alle, 1. wie merkwürdig unberechenbar das
Wiener Auktionspublikum im Allgemeinen ist, und 2.
daß hier Interessenten für ernste Graphik nur sehr
wenige sind. Das macht den Versuch einer solchen
Auktion in Wien allzugewagt. Das Beispiel der Auktion
E i s s 1 e r ist ja sehr lehrreich. Die Ergebnisse sind
ganz schön, wenn man an den völligen Stillstand auf
dem Kunstmarkt in diesen letzten Monaten denkt, wenn
man sie aber mit den Friedenspreisen vergleicht, so
sind sie erschreckend niedrig. Ich zweifle, daß auch
nur e i n Stück, obwohl es doch Alt-Wiener Lieblings-
stücke waren, den Preis erreicht hat, den Herr Eissler
einst dafür gegeben hat. Für eine Dürer-Zeichnung um
300 Pfund kein Angebot, für eine schöne Petten-
kofen-Zeichnung 350 S, d. h. ungefähr 250 Friedens-
kronen, für einen Füger ersten Ranges nicht einmal
10.000 S d. h. etwa 7000 Friedenskronen, etwa ein
Fünftel des Friedenspreises. Wenn die Albertina-
Dubletten solche Preise erzielen würden, hätten wir
das als eine finanzielle Katastrophe anzusehen. Und
wir vereinigen uns doch alle wenigstens in der zu-
versichtlichen Hoffnung, daß es dazu nicht kommen wird.
Punkt 2. Wertschätzung der Albertina.
Wir halten diese Sammlung alle nicht nur für eine
besondere Kostbarkeit Wiens, sondern auch für eine
 
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