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ihr-und ich mit ihnen. Meine Mama war im Par-
terre; sie ging schon um halb 5 Uhr hinein, um Platz zu be-
kommen; ich ging aber erst um halb 7 Uhr, denn ich kann
überall in die Logen gehen, ich bin ja bekannt genug. Ich
war in der Loge vom Haus Branca. Ich betrachtete die Kei-
ferin mit meinem Fernglas, und sie lockte mir öfters eine
Zähre ab; ich sagte oft krnva. drLvmsims; dann ich dachte
immer, daß sie erst das dritte Mal auf dem Theater ist
Das Stück hieß das Fischermädchen", eine nach der Musik
des Piceini sehr gute Übersetzung. Originalstücke haben sie
noch nicht. Eine deutsche Opsi-g seng möchten sie auch bald
geben-und man wünschte, daß ich sie componirte."
1 0) Spater als er zu Mannheim in Aloisia Weber eine Sängerin von
ganz anderer Bedeutung kennen lernte und der Vater ihn an seine Begei-
sterung für die Keiferin erinnerte, berichtigte er sein Urtheil über sie
(I 9. Febr. t 778): „ Was Sie mir wegen der kleinen Sängerin in Mün-
chen vorwerfen, muß ich bekennen daß ich ein Esel war so eine derbe Lüge
an Sie zu schreiben; sie weiß ja noch gar nicht was Singen heißt. Das
ist wahr, daß für eine Person die erst drei Monat die Musik gelernt, sie
ganz vortrefflich sang, und überdies hat sie eine sehr angenehme, reine
Stimme. Die Ursach warum ich sie so lobte mag wohl gewesen sein, weil
ich von früh morgens bis nachts nichts hörte als: es giebt keine bessere
Sängerin in Europa; wer diese nicht gehört hat, hat nichts gehört. Ich
getrauete mir nicht recht zu widersprechen, theils weil ich mir gute Freunde
machen wollte, theils weil ich schnurgrade von Salzburg herkam, wo man
einem das Widersprechen abgewöhnt. Sobald ich aber allein war,
mußte ich von Herzen lachen; warum lachte ich doch nicht auch in Ihrem
Briefe?" — Das Gedränge, in welchem sich damals Mozart zwischen den
gerechten Vorwürfen seines Vaters und der Liebe zu seiner Aloisia, der er
Wohl gar durch übertriebenes Lob der Keiferin untreu zu werden glaubte,
befand, mag diese Retractation einigermaßen entschuldigen. Ich kenne kei-
nen zweiten Fall, in dem Mozart seinem Wahrheitssinn und seinem reinen
Gefühl in ähnlicher Weise untreu geworden wäre; darum mag auch diese
Schwäche nicht vertuscht werden.
t 1) lls p686stri66, eine der früheren Opern Piccinis.
Jahn, Mozart. II. 4
ihr-und ich mit ihnen. Meine Mama war im Par-
terre; sie ging schon um halb 5 Uhr hinein, um Platz zu be-
kommen; ich ging aber erst um halb 7 Uhr, denn ich kann
überall in die Logen gehen, ich bin ja bekannt genug. Ich
war in der Loge vom Haus Branca. Ich betrachtete die Kei-
ferin mit meinem Fernglas, und sie lockte mir öfters eine
Zähre ab; ich sagte oft krnva. drLvmsims; dann ich dachte
immer, daß sie erst das dritte Mal auf dem Theater ist
Das Stück hieß das Fischermädchen", eine nach der Musik
des Piceini sehr gute Übersetzung. Originalstücke haben sie
noch nicht. Eine deutsche Opsi-g seng möchten sie auch bald
geben-und man wünschte, daß ich sie componirte."
1 0) Spater als er zu Mannheim in Aloisia Weber eine Sängerin von
ganz anderer Bedeutung kennen lernte und der Vater ihn an seine Begei-
sterung für die Keiferin erinnerte, berichtigte er sein Urtheil über sie
(I 9. Febr. t 778): „ Was Sie mir wegen der kleinen Sängerin in Mün-
chen vorwerfen, muß ich bekennen daß ich ein Esel war so eine derbe Lüge
an Sie zu schreiben; sie weiß ja noch gar nicht was Singen heißt. Das
ist wahr, daß für eine Person die erst drei Monat die Musik gelernt, sie
ganz vortrefflich sang, und überdies hat sie eine sehr angenehme, reine
Stimme. Die Ursach warum ich sie so lobte mag wohl gewesen sein, weil
ich von früh morgens bis nachts nichts hörte als: es giebt keine bessere
Sängerin in Europa; wer diese nicht gehört hat, hat nichts gehört. Ich
getrauete mir nicht recht zu widersprechen, theils weil ich mir gute Freunde
machen wollte, theils weil ich schnurgrade von Salzburg herkam, wo man
einem das Widersprechen abgewöhnt. Sobald ich aber allein war,
mußte ich von Herzen lachen; warum lachte ich doch nicht auch in Ihrem
Briefe?" — Das Gedränge, in welchem sich damals Mozart zwischen den
gerechten Vorwürfen seines Vaters und der Liebe zu seiner Aloisia, der er
Wohl gar durch übertriebenes Lob der Keiferin untreu zu werden glaubte,
befand, mag diese Retractation einigermaßen entschuldigen. Ich kenne kei-
nen zweiten Fall, in dem Mozart seinem Wahrheitssinn und seinem reinen
Gefühl in ähnlicher Weise untreu geworden wäre; darum mag auch diese
Schwäche nicht vertuscht werden.
t 1) lls p686stri66, eine der früheren Opern Piccinis.
Jahn, Mozart. II. 4