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Gestalt zu sein; man könnte versucht sein, darin eine Troerin zu erkennen, welche mit begeistertem
Kufen (όλολνγη 203) das verhängnissvolle Pferd geleitet, wie Helena bei Vergil204

chorum siniulans euhantis orgia circum
ducehat Phrygias.

Allein auch hier ist wahrscheinlich nichts anderes als angestrengtes Ziehen gemeint; und ebenso wird
es mit jenem Manne sein, welcher unmittelbar vor dem Pferde herschreitet und (nach Matz) beide Arme
über dem vorgeneigten Kopf erhebt, wozu ihm Feodor eine lebhafte Tanzbewegung leiht. Eigenthtimlich
ist es übrigens, dass dies Motiv sich auch auf Vasenbildern, Terracotten und Gemmen findet, und zwar
immer bei Figuren im orientalischen Costum -"5, so dass wohl die Keminiscenz eines Nationaltanzes anzu-
erkennen ist; man wird dabei an die Worte des Dionysos bei Aristophanes erinnert, der vom Chor der
Perser sagt206

6 χάρος (5' εν&νς τω χί/ρ' ώδι σνγχρηνσας ε'πΐίν Ιανοί,
Avas natürlich von einem entsprechenden Gestus begleitet war. Auch sind auf einem Gemmenbilde 207 vor
dem von den Troern gezogenen hölzernen Pferde zwei Figuren in ähnlicher Bewegung sichtbar. Eine
ganz sichere Entscheidung über unser Relief erlaubt die Art, in der es gearbeitet ist, nicht. Deutlicher
erkennbar ist dagegen das Folgende. Dem Zuge voran geht Peiamos im langen Gewände, mit der phry-
gischen Mütze; er deutet mit ausgestreckten Armen vorwärts. Dann folgt der Verräther Sinox , anschei-
nend nackt, welchem die auf den Rücken gebundenen Hände von einem Troer gelöst werden. Vor dem
Eingange des skaiischen Thores (Σχαιά πύλη) steht, dem Betrüger, dem man Glauben schenkt, treffend
gegenübergestellt, die von den Ihrigen verschmähte Seherin Kassandra. Ihre ganze Haltung bezeugt die
leidenschaftlichste Erregung; die Rechte hat sie erhoben, vielleicht um dadurch ihre warnende Rede zu
unterstützen, vielleicht (wie es Heibig und dein Zeichner erschien) eine brennende Fackel schwingend.
Die vorgestreckte Linke, mit der sie die Einziehenden abwehren wollte, wird von einem Troer gepackt,
welcher überhaupt die ausser sich gerathene Seherin zu beruhigen und fortzubringen sucht 208.

1L1UPERSIS DES STESICHOROS.

Es ward schon darauf aufmerksam gemacht, dass dies Mittelbild von Α sich vor den kleineren
Streifen durch eine symmetrische Anordnung auszeichnet, welche zunächst durch die stark hervortretende
Architektur augenfällig gemacht, sich durch alle einzelnen Theile verfolgen lässt und, wie Welcker nach-
gewiesen hat 209, nicht bloss äusserlich, sondern auch dem Sinne nach durchgeht. Die ummauerte Stadt
als Hauptbild ist noch auf den meisten Bruchstücken (BCDE) kenntlich; bei einem (E) ist die Uebcreiu-
stimmung einzelner Figuren deutlich, bei einem anderen (C) weist der allein erhaltene Name
auf die Verwandtschaft hin. In F dagegen erscheint die Stadt nur als Hintergrund einer Einzelscene.

66 [Ä]. In der mit Mauern und Thtirmen ihrem ganzen Umfange nach umringten Stadt, dem "ίλιον
εντείχεον Homers, unterscheidet man zunächst die Burg. Zu beiden Seitendes durch zusainmenstossende
Säulenhallen eingeschlossenen heiligen Raumes sind Wohnhäuser angegeben. Auf jeder Seite deutet ein

203 Horn. 11. Z, 301 αϊ (V ολολυγΐ) nüaui ΪΛ&ήνφ ytJQctg ανεσχον. Od. y, 450. Der ολολιγμός, nach Herodot (VI, 11)
libyschen Ursprungs, eigentlich ein Jubelruf aus freudiger Veranlassung (Eustath. II. Ζ ρ. 643. Hernsterluiis Lucian. I
ρ. 7 [ 177], Elmsley zu Eurip. Hemel. 782), besonders bei feierlichen Gelegenheiten, beim Opfer durch den Ritus reeipirt,
kam den Frauen zu (Poll. I. 27. Hesych. οίολυγη. Xen. auab. IV, 3, 19. Heliod. III, 15. Ach. Tat. III, 2. Dion. Hai.
I, 55), wiewohl der Sprachgebrauch nicht ganz constant bleibt. Dass beim ολολΰζειν nur eine Hand erhoben wurde (Spanheim
z. Callim. Del. 258. Visconti Mus. Pio Cl. IV. 28 p. 190), scheint nicht sicher. Vgl. Böttiger Kunstmyth. I p. 49 f.

201 Verg. Aen. VI, 517.

205 j)re[ unteritalische Vasenbilder (d'Hancarville I, 59 [Inghirami vasi litt. II, 184]; mou. iued. d. inst. I, 50 [arch.
Ztg. II, 24]; IV, 43), ein Terracottarelief aus Sicilieu (Avolio ant. fatt. di arg. 10), drei in Kertsch gefundene Terracotta-
figuren (ant. du Bosph. Cinim. 64, 1. 70 a, 7. Compte rendu 1859 Taf. 3, 1), eine Gemme desselben Fundorts (compte rendu
1859 Taf. 3, 4), ein Goldpliütchen (compte rendu 1865 Taf. 3, 1) hat Stephani zusammengestellt (compte rendu 1859 p. 120 f.
1865 p. 45 f.)

200 Arist. ran. 1029. Vgl. 0. Jahn Vasen mit Goldschmuck p. 9.

207 Overbeck Gall. her. Bildw. 25, 16.

208 Welcker (ep. Cycl. II p. 246), dem Heydemann (Iliupersis p. 30) folgt, erkennt in dieser Gruppe Aias und Kassandra
als „die letzte Gruppe der kleinen Ibas, und als die einzige, wodurch sie die Zerstörung ausdrückt", indem das skaiisehe
Thor nicht diese Geschichte, sondern den Rahmen des Bildes angehe (ebend. p. 250). Dagegen spricht die Darstellung wie
der Umstand, dass diese Sceue am rechten Ort dargestellt ist. Richtiger Klausen Aen. II p. 1120.

209 Welcker alte Deukm. II p. 186 ff. (ann. I p. 227 ff.). Kl. Sehr. I p. 181 ff. Vgl Klausen Aen. II p. 1115 ff. Heyde-
mann Iliupersis p. 28 ff.
 
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