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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 4.1871

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Dobbert, Ed.: Die Darstellung des Abendmahles durch die byzantinische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.49880#0357
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Von Dr. Ed. Dobbert.

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Nachtrag.
Seit der Abfassung meines Aufsatzes über die Darstellung des Abend-
mahles durch die byzantinische Kunst habe ich das betreffende Mosaik
in S. Marco zu Venedig gesehen. Hinter einem langen geradlinigen
Tische werden wir zehn Jünger gewahr, von denen der Eine (vielleicht
Judas?) die Hand auf oder über dem Tische ausgestreckt hält (etwa
nach der allerdings ziemlich weit entfernten Schüssel?) In der Ecke
links vor dem Tische ist Christus sitzend angeordnet, neben ihm Johannes,
der sich zu seiner Brust neigt. Vor dem rechten Tischende sitzt der
zwölfte Apostel, der keineswegs Judas zu sein braucht, wie Riegel meint.
Es scheint, dass hier die Einsetzung des Abendmahles zur Darstellung
hat kommen sollen: Christus hat nämlich in der Linken ein Brod, mit
der Rechten segnet er. Die meisten Jünger richten ihre Blicke auf Jesus.
Dass die Darstellung „in’s Ceremonienbild übergehe“, kann ich nicht
finden.
In wie weit wir es mit einem ächt byzantinischen Werke zu thun
haben, ist schwer festzustellen, da an den Mosaiken in 8. Marco viele
Generationen gearbeitet haben und hiebei dem abendländischen Einflüsse
Thür und Thor offen stand. Vielleicht nirgends lässt sich eine so tief
gehende Mischung byzantinischer und abendländischer Kunstelemente
wahrnehmen wie gerade in Venedig. Die Werke des Lorenzo von Ve-
nedig, des Stefano Pievan di S. Agnese und des Niccolö Semitecolo in
der Akademie bieten sehr lehrreiche Beispiele dieser bis in die Zeit der
Bellini reichenden Vermengung. So vermag ich denn auch nicht das
Abendmahlsbild in S. Marco als vollgültigen Repräsentanten ächt byzan-
tinischer Kunst anzuerkennen, obgleich es durchaus wahrscheinlich ist,
dass es nicht minder, als die übrigen älteren Mosaiken der Kirche
griechischen Künstlern seine Entstehung dankt.
Die Formgebung ist byzantinisch, auch manche Eigenthümlichkeiten
in der Anordnung: so der Platz, den Christus am linken Ende des Tisches
einnimmt, dann die Heiligenscheine um die Köpfe aller Apostel, mit
Einschluss des Judas, erinnern an die von uns angeführten byzantinischen
Darstellungen. Der lange Tisch statt des halbrunden aber deutet
dann doch wieder auf die abendländische Hebung hin.
Eine ächt byzantinische Abendmahlsdarstellung besitzt 8. Marco in
dem betreffenden Bildchen der Pala d’oro: Hier finden wir alle früher er-
wähnten Merkzeichen wieder; das „Sigma“, Christus links zu Tische
liegend, Judas nach der Schüssel greifend, in welcher ein Fisch.
Jahrbücher für Kunstwissenschaft. IV. 24
 
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