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Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft in Deutschland — 2.1845

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Menzel, Carl August: Grundzüge zur Vorschule einer allgemeinen Bauformenlehre in Bezug auf den Standpunkt der Baukunst in jetziger Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.19237#0015
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ll. Grundzüge zur Vorschule einer allgemeinen Banformenlehre. 3

Nnwandelbare Naturgesetze verweisen die spielende Willkür in be-
stimiw. Schranken und walten unsichtbar in den Formen der Bauwerke,
theils als bedingende Kräfte allein, wie die Erdschwere, die Standfähig-
keit, die beste Unterstützung des jedesmaligen Schwerpunktes, das Gleich-
gewicht , die Gesetze des Sehens, des Hörens rc., theils die Form bedin-
gend aU, Einwirkungen von außen, wie Hitze und Frost als zusarnmerl-
ziehend nd ausdehnend, Schnee, Nässe und Feuchtigkeit als auflösend rc.,
wohin auch alle übrigen klimatischeu Einstüsse gehören, so weit sie formbe-
dingend zu wirken im Stande sind.

Endlich wirken die Naturkräfte auf den Bau und seine Formen-
gebung als dasjenige Material, welches vorzugsweise verwendet wird.

Hat der Baumeister alle diese Rücksichten wohl erwogen, so kann
dann erst die Verkörperung seines Jdeales erfolgen, welches nach Umstän-
den und also selbst sür denselben Gegenstand in verschiedenen Verbin-
dungsarten, und folglich in verschiedenen Gestalten wird auftreten müssen,
ja nachdem der Kern des ganzen Bauwerkes aus anderem Material, z. V.
Stein, Holz, Eisen, Mauersteinen rc. bestände. Jst der Baumeister ge-
nöthigt, irgend ein Sinnbild in seiner Vaute zu verkörpern, wie das
namentlich bei kirchlichen Bauten der Fall sein kann, so wird er doch,
durch Nw rkräste und Wahl deS Materials gezwungen, nur andeutend
verfahreu rönnen; denn Niemand wäre z. V. im Stande, das bewegliche
Zelt der Stistshütte aus Stein, in gleichen Abmessungen und in gleicher
Stärke der dazu verwendeten Materialien herzustellen, es könnten im
Steinbau, wie gesagt, nur Andeutungen stattfinden, welche uns, so weit
es die naturgemäßen Bedingungen zulassen, den Bau einer zeltartigen
Stiftshütte versinnlichten.

Aus diesem einen Beispiele, welches für unzählige andere stehen
mag, sehen wir die Abhängigkeit baukünstlerischer Formen; wir sehen
zugleich wie irgend ein gegebenes Material unmöglich in Formen auf-
treten kann, die seiner Natur zuwider sind, und es folgt hieraus, vaß
jedes Material auch seiner Natur gemäß verwendet werden kann, so weit
seine Bildungsfähigkeit reicht.

Es folgt ferner, daß kein Material anstatt eines auderen auftreten
darf, daß es mit einem Worte Unsinn wäre, einen Mzernen Bau so zu
verbinden, daß er einen Steinbau darstellte, und rnngekehrt; da die Natur
beider Materialien durchaus verschiedenen Wvingungen in ihrer Zusam-
menfügung folget.

Wir sehen endlich hieraus, d^ßMeS, was wir Verzierung nennen,
ebenfalls, wenn auch weniger, von diesen Bedingungen abhängig ist, uno

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