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Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft in Deutschland — 2.1845

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Menzel, Carl August: Grundzüge zur Vorschule einer allgemeinen Bauformenlehre in Bezug auf den Standpunkt der Baukunst in jetziger Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.19237#0090
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78 II. Gnmdzügc zur Vorschule

uächstfolgeir've sei mit flechen Kappen gewolbt, und das oberste habe euie
wagerechte Balkendecke.

Wir haben aus dem Vorangegangenen gesehen, welchen entschiedenen
Einfluß die Gestalt dir Decke eines Ranmcs auch jedesmal auf den Gleich-
lauf der nbrigen Linien nnd namentlich auf den oberen Schluß der Oeff-
nungen ausübte. Nach dieser Voraussetzung würde in dem eben angeführ-
ten Beispicle das unterste Stockwerk Oesfnungen im Halbkreise geschlossen,
das darauf solgende Oeffnungen im flachen Bogen geschlossen, und das
oberste wagerecht geschlossene Fenster erhalten, welches Alles mit den an-
genommenen Deckenlinien übereinstimmt.

Selbst wenn die Anordnung gerade umgekehrt von oben herunter
auf einander folgte, würde eine folgerechte Entwickelung der Ansicht möglich
werden, wie jeder sich überzeugen kann, der sich die Mühe geben will.
beide Ansichten zu zeichnen.

Wir haben vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß nicht zu vieler-
lei gleichlaufende Liniensysteme an einem und demselben Gegenstande vor-
kommen dürfen; wir müssen aber noch hinzufügen, daß deren auch nicht
zn wenig sein dürsen, weil sonst eine unertragliche Einförmigkeit entsteht.

Um diesen Satz deutlicher zu machen, wollen wir die gleichlaufenden
Liniensysteme sür einige Fälle betrachten.

Llußer den wagerechten und senkrechten Linien, welche in allen Bau-
stylen vorkommen müssen, sehen wir am ägyptischen Tcmpel nur die gleich-
laufenden, sehr wenig verjüngtcn Umrißlinien der Säulen, und die Ab-
schrägung der Tempelmauern nach den Seiten hin, wodnrch der Bau sich
der pyramidalen Form im Ganzeu nähert. Alle schräg laufenden Linien
weichen nur wenig von der senkrechten ab.

Der griechische Tempelbau zeigt in der Vcrjüngungslinie der Säu-
len dorischer Ordnunff eine stärkere Abweichung von der senkrechten (als
der ägyptische), welches auch besser mit der stark geneigten Dachlinie über-
einstimmt.

Wie es sich mit dem romanisch-byzantinischen Styl und dem alt-
deutschen verhält, haben wir eben gesehen. Da nun die schneckenförmig
gewundenen Linien, wie sie zuweilen an Denkmalen vorkommen, und die spiral-
förmig gewundenen, wie an vielen Säulen der byzantinischen Kunstzeit, mit gar
keiner Linie des übrigen Bauwerkes in Gleichlauf gebracht werden können,
so folgt hieraus ihr unangenehmer Eindruck, den sie als Bautheile ma-
chen. Die schneckenförmige Linie würde sich nur als Weg um einen Verg,
oder als llnterbau eines Monumentes naturgemäß rechtfertigen lassen.

Das Gleichlaufen der Linien bezieht sich aber nicht blos darauf, daß
sie wagerecht, lothrecht oder unter beliebiger llleigung gleichweit von ein-
 
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