Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft in Deutschland — 2.1845

DOI Artikel:
Menzel, Carl August: Grundzüge zur Vorschule einer allgemeinen Bauformenlehre in Bezug auf den Standpunkt der Baukunst in jetziger Zeit
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.19237#0091
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
einer nllgemeinen Bnuformenlehre.

79

ander abstehen, es bezieht sich auch darauf, daß zuweilen von gegebencn
Mittellinien aus, in gleichen Abständen, die Neigungswinkel zweier entge-
gengesetzt laufenden Linien gleich sind, wie z. B. bei dem sogenannten Sattel-
dache die Winkel, welche die Neigung der Sparren nach beiden Seiten
hin bestimmen, gleich sein müssen. Ein ähnlicher Fall tritt bei der Beda-
chung der Seitenschiffe an den Kirchen in Basiliken- und Kreuzform, oder
bei schräg ausspringenden Flügeln eines Gebäudes rc. ein.

Wie wiverlich würde es aussehen wenn man die Neigungswinkel
eines Satteldaches oder der Seitenschiffe einer Kirche verschieden machen
wollte. Und zwar würde es aus dem Grunde widerlich erscheincn, weil das
Auge für eiuerlei bestimmt aus gespro chene Bedingung auch
einerlei Form verlangt, und weil sich eine dergleichen
ohne Noth abweichende F o rnr auf keine Weise aus der F ü-
gung des Ganzen folgern läßt.

Dieselben Gesetze gelten für Rundbauten bei concentrisch laufenden
Mauern, Dächern rc., sowohl hinstchtlich der an stch gleichlaufenden Li-
nien, als der nach gleichen Winkeln vom Mittel aus sich neigenden.

Eiue absichtliche Störung gleichlaufender Linien würde also nur dann
statthabcn können, wcnn die ganze Anordnung auf den ersten Blick zeigte,
daß eiue inncre Nothwendigkeit dafür vorhanden ivar, wie z. B. bei dem
schräg laufenden oberen und unteren Schluffe der Fenster an einer alt-
deutschen Wendeltreppe, wo dieser Schuß gleichlaufend mit der inneren
Treppenwange angelegt ist und deshalb nicht gleichlaufcnd mit den äußeren
wage- und senkrechten Fugcn laufen konnte. Lioch deutlicher tritt dieser
Faü bei deu in offenen Thürmchen laufenden Wendeltreppen hervor, wel-
che sich an den Münsteru altdeutscher Dome, Rathhäusern, Burgen und
Wohngebäuden bestnden.

Die Neuheit in der Baukunst beruht einzig und allein auf der-
jenigeu Fornr des Bauwerkes, w e l ch e a us de r je d e sm a l i -
gen inneren N o th wendigkeit desselben und der Liaturge-
mäßheit seiner einzelnen Theile hervorgeht.

Die innere Nothwendigkeit wird aber für jedes Vauwerk eine andere
schon an und sür sich werden, je nachdem es durch geistige Bedingung,
durch Material unv dessen Fügung einer bestimmten Richtung in der For-
mengebung unterliegen muß.

Diesen hier festgestellten Begriff der Neuheit in der Baukunst hat
man jedoch immer nur in jenen Zeiten verfolgt, als die einzelnen Völker
in den ihnen eigenthümlichen Baustylen bauten. Man betrachte in dieser
Hinsicht die griechischen Tempel. Jedes dorische tem^Ium in antis z. B.
ist dem anderen in der Anordnung vollkommen ähnlich, weil ihncn
 
Annotationen