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II. Gnmdzüge zur Vorscbule
einerlei geistige Bedingung zu Grunde liegt. Gehen wir aber
ttiif die Verschiedenheit ihrer einzelnen Verhältnisse, ihrer einzelnen Theile,
ihrer Gliederungen und ihres sonstigen Schmuckes ein, so finden wir bei
allen eine ungemeine Verschiedenheit, in welcher eben die Neuheit der Form
besteht.
Dieselbe Erscheinung sehen wir an den mittelalterlichen Donien und
Kirchen überhaupt. lZllle haben gleiche geistige Grundlage der Bedingung,
dic größeren haben alle zwei Thürme, Hauptschisf, Seitenschiffe, hohes
Chor, Kreuzform im Grundriß und überhaupt einerlei Anordnung in ih-
ren äußeren und inneren Formen, und wie unendlich verschieden erscheincn
fie, wenn man zwei derselben mit einander vergleicht. Wie neu ist jeder
Bau, einzeln genommen, in Bezug auf die anderen, und das ist die Neu-
heit, welche wir hier meinen.
Diese Neuheit aber ist, seit dem stebenzehnten Jahrhundert bereits
auf ganz anderem Wege gesucht worden, und die neuere wie die neueste
Zeit, welche glauben möchten, daß, wie in den K l e id er m od e n, nur
das noch nie Dagewesene neu sei, gleichviel welche Form es habe, gleich-
viel ob es naturgemäß sei oder nicht, überboten sich in Formengebungen,
welche aller gesunden Vernunft Hohn sprachen. Dieser Ansicht verdankte der
Rococco-Styl seine Entstehung. Man war der Renaissance überdrüßig, und
in dem erstgenannten Styl häufte man Alles, was die Mauern zu füllen
vermochte, um nur immer etwas Anderes zu haben, als schon dagewesen
war. Sah irgend ein Baulustiger etwas Neues bei einem Anderen, so
kümmerte fich Niemand darum, ob es schön, zweckmäßig oder naturgeniä'ß
sei; es kam nur darauf an, auch ctwas lilehnliches zu besitzen, was das
Gesehene in jeder Hinsicht zu überbieten im Stande wäre,
und zugleich in einer ganz andern, neuen Form erschiene. Dieser für
die Baukunst so unselige Trieb, -Alles anders als das bereits Vorhandene
haben zu wollen, hat sich auch der neuesten Zeit hauptsächlich aus ziveier-
lei Nrsachen bemächtigt. Erstens bietet uns der religiöse Kultus keinen
genügenden Anknüpfungspunkt für eine bestimmte Formengebung, und zwei-
tens herrscht eben deswegen die verderbliche Ansicht: daß, wie man in
der Mode alle Augenblicke wechselt, dieser Wechsel auch
in der B a uk unst sta t tfi nd e n könne und müss e.
Das Verdammungsurtheil: Es ist nicht mehr Mode verdrängt
augenblicklich Gutes und Schlechtes und läßt beioes auf das Widerfinnigste
mit einander wechseln oder eincs in das andere überfließen. Die Sucht
nach Neuheit läßt uns fünf Jahre lang italienisch, oder altveutsch, oder
chinesisch, oder anders bauen, ohne daß irgend ein vernünftiger Grund
weder für das Eine noch für das Andere vorhanden wäre.
Die
II. Gnmdzüge zur Vorscbule
einerlei geistige Bedingung zu Grunde liegt. Gehen wir aber
ttiif die Verschiedenheit ihrer einzelnen Verhältnisse, ihrer einzelnen Theile,
ihrer Gliederungen und ihres sonstigen Schmuckes ein, so finden wir bei
allen eine ungemeine Verschiedenheit, in welcher eben die Neuheit der Form
besteht.
Dieselbe Erscheinung sehen wir an den mittelalterlichen Donien und
Kirchen überhaupt. lZllle haben gleiche geistige Grundlage der Bedingung,
dic größeren haben alle zwei Thürme, Hauptschisf, Seitenschiffe, hohes
Chor, Kreuzform im Grundriß und überhaupt einerlei Anordnung in ih-
ren äußeren und inneren Formen, und wie unendlich verschieden erscheincn
fie, wenn man zwei derselben mit einander vergleicht. Wie neu ist jeder
Bau, einzeln genommen, in Bezug auf die anderen, und das ist die Neu-
heit, welche wir hier meinen.
Diese Neuheit aber ist, seit dem stebenzehnten Jahrhundert bereits
auf ganz anderem Wege gesucht worden, und die neuere wie die neueste
Zeit, welche glauben möchten, daß, wie in den K l e id er m od e n, nur
das noch nie Dagewesene neu sei, gleichviel welche Form es habe, gleich-
viel ob es naturgemäß sei oder nicht, überboten sich in Formengebungen,
welche aller gesunden Vernunft Hohn sprachen. Dieser Ansicht verdankte der
Rococco-Styl seine Entstehung. Man war der Renaissance überdrüßig, und
in dem erstgenannten Styl häufte man Alles, was die Mauern zu füllen
vermochte, um nur immer etwas Anderes zu haben, als schon dagewesen
war. Sah irgend ein Baulustiger etwas Neues bei einem Anderen, so
kümmerte fich Niemand darum, ob es schön, zweckmäßig oder naturgeniä'ß
sei; es kam nur darauf an, auch ctwas lilehnliches zu besitzen, was das
Gesehene in jeder Hinsicht zu überbieten im Stande wäre,
und zugleich in einer ganz andern, neuen Form erschiene. Dieser für
die Baukunst so unselige Trieb, -Alles anders als das bereits Vorhandene
haben zu wollen, hat sich auch der neuesten Zeit hauptsächlich aus ziveier-
lei Nrsachen bemächtigt. Erstens bietet uns der religiöse Kultus keinen
genügenden Anknüpfungspunkt für eine bestimmte Formengebung, und zwei-
tens herrscht eben deswegen die verderbliche Ansicht: daß, wie man in
der Mode alle Augenblicke wechselt, dieser Wechsel auch
in der B a uk unst sta t tfi nd e n könne und müss e.
Das Verdammungsurtheil: Es ist nicht mehr Mode verdrängt
augenblicklich Gutes und Schlechtes und läßt beioes auf das Widerfinnigste
mit einander wechseln oder eincs in das andere überfließen. Die Sucht
nach Neuheit läßt uns fünf Jahre lang italienisch, oder altveutsch, oder
chinesisch, oder anders bauen, ohne daß irgend ein vernünftiger Grund
weder für das Eine noch für das Andere vorhanden wäre.
Die