Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
eirikr aNgemeinm Bauformenlehre. 65

und wo man keine wirkliche Oeffnung durch die ganze Stärfe der Mauer
haben konnte oder wollte, bediente man sich der Nischen oder auch bloßer
Vertiefungen der Mauer, welche von dem Streben nach Gewichtsvermin-
derung derselben zeugen.

So sind die reichverzierten und zurückspringenden Metopen des aus-'
gebildeten Steinbaues nichts weiter, als das Bild der Durchbrechung und
des nach oben Leichterwerdens der Umsassungsmauer. So deuten oberhalb
angebrachte Pfeilerreihen, wie bei der Jncantada zu Salonichs eine Schwä-
chung der Mauer an. Eben so sind die oberen Umgänge der Kirchen im
romanisch-byzantinischen Styl, und ähnliche indem alrdeutschen, vortrefsliche
Mittel, das Bauwerk nach oben leichter erscheinen zu lassen.

Jedoch können auch Bedingungen eintreten, nach welchen die meisten
und größten Oeffnungen im unteren Theile des Gebäudes angebracht wer»
den müssen. Ein Beispiel hiervon sehen wir im Dogenpalaste zu Venedig.
Es hat Vielen beliebt, dieses Gebäude als Auswuchs eines guten Geschmak-
kes darzustellenz ich muß aber gestehen, daß es nur meine Bewunderung
erregt hat, wie der Vaumeister die schwierige Ausgabe glücklich gelöst. Un-
terhalb befinden sich bekanntlich zwei verhältnißmäßig niedrige Bogengänge,
über welchen ein gewaltiges nur von wenigen sehr großen Fenstern unter-
brochenes Stockwerk liegt, welches von einem Geländer bekrönt wird, hin-
ter dem das stache Dach sich befindet. Die ganze Schwierigkeit bestand
darin, das obere Geschoß nicht zu schwer erscheinen zu lassen, welches
hauptsächlich durch die starken Verhältnisse der unteren beiden Gallerien
und auch dadurch erreicht wurde, daß man der darüberstehenden Mauer
ein teppichartiges Ansehen gab, wodurch für das Auge ein Schein der
Leichtigkeit erzielt wurde, welcher ganz vergessen macht, was für ein schwe-
rer Mauerkörper auf den untern Hallen ruht. So wenig wir die Anwen-
dung einer solchen Maske im Allgemeinen empfehlen wollen, so sehr müs-
sen wir die tiefe Einsicht des Baumeisters, zu dem beabstchtigten Zwecke ein
dienliches Mittel gefunden zu haben, hochschätzen. Ueberdies dürfen wir
hierbei nicht vergessen, daß der arabische Styl, in welchem es gebaut ist,
die Teppichform ganz gewöhnlich als Wandschmuck anwendet; da man
sinnbildlich Lemüht war, das Zelt, unter welchem die Vorsahren gelebt
hatten, wiederzugeben, und da der bewegliche Tempel der Wüsten-Be-
wohner, sowie die südische Stiftshütte, noch heute ein Zelt ist.

Es würde also in ähnlichen Fällen darauf zu sehen sein, daß nie-
mals, auch nur die scheinbare Festigkeit verloren gehe. Jedermann kennt
außerdem das beängstigende Gefühl, welches uns bei dem Anblick solcher
Anordnungen ergreift, welche entweder aus ihrem Schwerpunkte gerückt find;
wie schiefe Thürme, oder wo die obere Last den Unterbau zu erdrücken
Mcnzcl, Jahrb. d. Bank. 2. Bd. 5
 
Annotationen