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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0101
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

schiedenheiten finden wir überall in den Miniaturen bereits Ansätze zu den Modetrachten,
wie sie unsere Fresken darstellen. Vor allem in der Haar- und Barttracht der Männer, in
der Fußbekleidung-, die hier wie dort aus langen, spitzen Schnabelschuhen besteht, oder
bei den Männern aus sogenannten Beinlingen, einer Verbindung von Hosen und Schuhen,
mit spitzen Schnäbeln. Auch findet sich bei den Gewändern der Frauen ebenso wie in
Trient häufig ein andersfarbiges Unterkleid unter dem gerafften Überwurf und sie tragen
Kränze aus Blumen oder verschlungenen Bändern in den Haaren. Einzelne, vielleicht um
geringes später ausgeführte Blätter weisen sogar schon die lang herabhängenden Ärmel
auf (Fig. 16). Wir müssen also annehmen, daß diese Moden gegen das Jahr 1400 in
Verona bereits getragen wurden, eine Tatsache, aus der wieder die Feststellung resultiert,
daß die Malereien in Trient, trotz ihrer stilistischen Fortschritte nur um einen kurzen Zeit-
raum später entstanden sein können als die besprochenen Miniaturen. Wenn wir also die
letzteren in das letzte Jahrzehnt des XIV. Jhs. datieren, müssen wir als Entstehungszeit der
ersteren die Jahre 1400 —1410 annehmen, eine Vermutung, die auch der Vergleich mit den
Trachten auf Werken deutscher Provenienz bestätigt.

Die "Miniaturen der Tacuina sanitatis zeigen die größten Analogien in den Kostümen
mit einer Reihe deutscher Kunstwerke des höfischen Darstellungskreises, von denen ich
als die charakteristischesten die tirolischen Fresken im Neidhartsaal in Runkelstein, die
Fresken im Schloß Lichtenberg, einen Teppich im Germanischen Museum in Nürnberg und
die Zeichnungen des Braunschweiger Skizzenbuches nennen möchte.

Die Fresken in Runkelstein177) sind zwischen 1385—1400 entstanden und stellen höfische
Belustigungen, Turnier, Tanz, Ballspiel178), Jagd und Fischfang dar.

Sie entsprechen, im Gegensatz zu den Malereien in Trient, einem mehr zeichnerisch-
dekorativen Tapetenstil, zeigen geringe plastische Modellierung und die Landschafts-
darstellung beschränkt sich auf einzelne stilisierte Bäume und Pflanzen.

Ahnliches läßt sich auch an den Fresken im Schlosse Lichtenberg179) beobachten, die
uns Jagd, Kampf, Turnier und Rosenpflücken1S0) vor Augen führen und derselben Zeit wie
die Runkelsteiner Bilder angehören dürften.

Die Skizzen des Braunschweiger Buches181) hat Neuwirth mit den Bilderhandschriften
König Wenzels verglichen und schreibt sie dem böhmischen Kunstkreis zu. Sie enthalten
neben religiösen Darstellungen Herrscherbildnisse, höfische und Minneszenen und sind
zweifellos gegen Ende des XIV. Jhs. entstanden.

Den Teppich im Germanischen Museum in Nürnberg182) schließlich nenne ich als
markantestes Beispiel einer ganzen Gruppe ähnlicher spätmittelalterlicher Wandbehänge,
deren Fabrikationsstätte nicht sichergestellt ist, deren Stil jedoch und deren Inschriften

l77) Zingerle und Seei.os: Der Freskenzyklus des
Schlosses Runkelstein. Herausgegeben vom Ferdinandeum
in Innsbruck 1857. Ad. Becker: Schloß Runkelstein und
seine Wandgemälde. Mitteilungen d. Z. K. 1878, pag. XXIII.
P. Just. Ladurner::_Das Schloß Runkelstein. Archiv für
Geschichte und Altertumskunde Tirols I, 1864. David Schön-
herr: Das Schloß Runkelstein bei Bozen. Gesammelte
Schriften. Kunstgeschichtliches I.

1|3) Auf der Darstellung des Ballspiels sieht man be-
sonders deutlich die Übermalungen. So insbesondere in den
breiten Streifen der Gewänder, wie sie der Mode vom An-
fang des XVI. Jhs. entsprechen.

179) Paul Clemen: Beiträge zur Kenntnis der älteren
Wandmalereien in Tirol. Mitt. d. Z. K. 188g, pag. 87 und
Mitt. d. Z. K., N. F. VI, pag. CXXV.

180) Clemen denkt hier an Illustrationen zu Laurins ,
Rosengarten.

lsl) Joseph Neuwirth: Das Braunschweiger Skizzen-
buch. Prag 1897.

182) Julius Lessing: Wandteppiche und Decken des
Mittelalters in Deutschland. Berlin 1900 ff. Abg. Taf. 34,
35. 36> 37- Jakob Falke: Geschichte des deutschen Kunst-
gewerbes. Berlin 1888, pag. 110. Eugene Müntz: Tapis-
series, Broderies et Dentelles. Paris 1890, Taf. 2.
 
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