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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0100
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

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In diesen Malereien seien, heißt es, Figuren von Menschen und Tieren dargestellt gewesen.
Der Umstand beweist uns jedenfalls, daß es auch in Trient damals namhaftere Maler gab.

Vor allem jedoch erscheinen bei diesen regen Wechselbeziehungen zwischen Tirol und
Verona Stilübertragungen als natürliche Folge175).

Es ist mir leider nicht gelungen, ein Werk aufzufinden, das den Monatsbildern in Trient
stilistisch unmittelbar nahesteht und das derselben Schule angehörte. Ein Umstand, der die
Schwierigkeit der Einordnung und Stilanalyse wesentlich erhöhte. Wenn die letztere nicht
vollauf befriedigt, wenn der Stil unserer Fresken durch Zurückführung auf veronesische
und deutsche Elemente nicht völlig gelöst erscheint, so mag der Grund daran liegen, daß
die allerdings schwer nachzuweisenden Einflüsse eines dritten Kunstkreises hier wirksam
waren. Ähnlich wie den Werken Oberitaliens, verleiht auch diesem Werke die mächtige
Einwirkung der französischen Kunst sein eigentümliches Gepräge.

*

* *

Wir gehen nun an den Versuch einer genaueren Datierung, die bei der Spärlichkeit
des Vergleichsmaterials, bei dem Mangel höfischer Denkmäler aus der nämlichen Gegend
und Epoche schwer auf ein kurzes Spatium einzuschränken ist. Leider bieten die Trachten,
die unter gewissen Voraussetzungen eine sichere Stütze bedeuten, hier geringe Anhalts-
punkte. Der Wechsel der Moden vollzog sich im XIV. und XV. Jh. sehr langsam. Es
brauchte Jahre, ehe eine Mode von ihrem Entstehungszentrum aus sich verbreitete, und
brauchte weitere Jahre, ehe die alte Tracht durch eine neue Modeschöpfung verdrängt
wurde. Daraus erklärt es sich, daß Trachten in der Provinz noch lange getragen wurden,
nachdem sie z. B. in Paris längst unmodern geworden waren. Leider gebricht es uns
an dem wichtigsten Hilfsmittel, um diese Schwierigkeiten zu bewältigen, an einer aus-
führlichen, einzig auf datierte Denkmäler gestützten Kostümgeschichte m). Wenn wir trotzdem
versuchen wollen, auf Grund eines Vergleichs unserer Fresken mit den Trachten der
benachbarten Denkmäler zu einer relativen Gruppierung zu gelangen, so geschieht es, weil
hier ausnahmsweise die relativen Ergebnisse uns zu einer engeren Umgrenzung der chrono-
logischen Bestimmung zu führen vermögen.

Wir ziehen vorerst die beiläufig datierten veronesischen Miniaturen heran, in denen
uns eine Fülle verschiedenartiger Trachten geboten werden. Ein Vergleich derselben mit
den Kostümen auf den Malereien in Trient zeigt markante Unterschiede. Die Kleider
der Frauen sind anliegender, die Ärmel am Handgelenk nicht so lose und weit herab-
hängend wie auf den Monatsbildern. Die Tracht der Männer besteht zumeist aus einem
kurzen, losen, nur bis zur Taille reichenden oder einem längeren, gegürteten, häufig unten
ausgezaddelten Rock, wie er sich in Trient nicht in derselben Form findet. Auch die
Ärmel der Männer sind weniger lose und bedeutend kürzer. Ungeachtet dieser Ver-

175) Semper, der den Einfluß Italiens auf die tiroli-
sche Kunst womöglich noch überschätzt, hat in seinen Ar-
beiten wiederholt auf diese Zusammenhänge hingewiesen.
Hans Semper: Wanderungen und Kunststudien. Derselbe:
Die Brixener Malerschulen des XV. und XVI. Jhs. Zeit-
schrift des Ferdinandeums 1891. Derselbe: Eine Sammlung
alttirolischer Tafelbilder im erzbischöflichen Klerikalsemi-
nar zu Freising. Oberbayrisches Archiv, Band 49 usw.

,76) Das beste und verläßlichste Werk für die deutschen

Moden des XIV. und XV. Jhs. ist Schultz: Deutsches
Leben im XIV. und XV. Jh. Wien 1892. Unzuverlässig
und veraltet ist dagegen das Trachtenwerk von Hkenkr-
Alteneck. Auch die Kostümkunde von Hermann Weis/.
ist sehr mangelhaft. Was die französischen Moden betrifft,
so ist vor allem Vioi.i.et i.e Duc: Dictionnaire raisonne
du mobilier francais zu nennen, das aber ebenfalls zumeist
nur undatierte Denkmäler heranzieht.
 
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