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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0242
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J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

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ziehung eine Unrichtigkeit aufweist, oder ob die
freigelegte Küchenanlage einer jüngeren Zeit-
epoche, etwa kurz nach 1694 angehört. Ich möchte
diese Frage im letzteren Sinn entscheiden, nachdem
der ganz unabhängig entstandene Augenscheinsbericht
die Küche an dieselbe Stelle wie der Plan verlegt. Der
Raum, in welchem durch die Ausgrabungen ein Erker
festgestellt wurde, war also nach dem Plane früher ein-
mal ein Zimmer und zwar ein solches von recht
ansehnlichen Größenverhältnissen (Länge 9 m, Breite
6-5 in). Gewiß wurde der Herd an diese Stelle um-
gesetzt, nachdem derjenige Teil des Palasanbaues,
in welchem die „alte Küchel“ lag, derartig baufällig
geworden war, daß seine Benutzung zur Unmöglich-
keit wurde48).

Weiter sei darauf aufmerksam gemacht, daß auf
dem Wiener Plane ein Raum (G auf Zeichnung Fig. 29)
fehlt, dessen Umfassungsmauern teilweise durch die
Ausgrabung konstatiert worden sind. Man beachte
jedoch den Plan des Sebastian Münster (Fig. 2).
Dieser zeigt zwei Palasanbauten, von denen der
westlichere bedeutend kleiner ist als der unmittelbar
an den Palas anschließende. Vielleicht ist das ge-
genannte Mauerfragment (bei G) ein Rest dieses
kleinen zur Zeit der Planaufnahme offenbar nicht
mehr existierenden Gebäudes.

Die Einteilung des Palas, welche die detail-
lierte Darstellung des Wiener Planes erkennen läßt,
darf man durchaus nicht als mit der ursprünglichen
identisch' ansehen; denn in den alten Palasbauten
pflegten die Zwischenwände meist aus leichtem Fach-
werke, welches in keinem Verbände mit den Außen-
mauern ausgeführt war, oder aus Brettern zu bestehen,
die je nach Bedürfnis Veränderungen in der Einteilung
zuließen. Grubber und Piper50) haben Rekonstruk-
tionsversuche der Einteilung gegeben. Sie
stützten sich dabei im wesentlichen auf Angaben des
Burggrafenamtsverwalters vom Jahre 1727. DerWiener
Plan erweist, daß zu jener Zeit die Palaseinteilung eine
andere war, als sie Grueber mit Sicherheit annimmt.
Viel mehr nähert sich Piper mit seiner vorsichtig gege-
benen Auffassung den Tatsachen. Seine Annahme,
daß die erste, östliche Scheidewand zwischen dem
westlichsten Saalfenster und dem folgenden kleinen
Fenster und daß die zweite Wand vor dem zweiten,
westlicheren, gleichartigen Fenster anzusetzen ist,

40) Diese Herdversetzung mag kurz nach 1727 erfolgt
sein, da es in einer Relation des Burggrafenamtsverwalters
jenes Jahres u. a. heißt: „linkerhand machet den Anfang
die Hauptkuchel, ist aber schon völlig eingegangen, stehet
nur noch die helffte des Dachs und Kamins . . .“

50) Grueber: Die Kaiserburg zu Eger.

Piper: Österreichische Burgen.

trifft zu. Piper teilt auf diese Weise die westliche
Palashälfte in zwei große Räume und einen Gang.
Jedes der beiden Gemächer hatte nach seiner Ver-
sion Fenster, Kamin und Abtritt. In Wirklichkeit ist
auf dem Plane von dem westlichen der beiden Räume
(X auf Zeichnung Fig. 46) der Abtritt (Y) noch einmal
besonders abgetrennt, eine Absonderlichkeit, welche
Piper natürlich nicht erraten konnte. Der Gang (S)
ist bedeutend breiter als ihn Grueber und wohl auch
Piper angenommen hat, der Grueber hierin nicht
bemängelt. Eine derartige Raumverschwendung war
jedoch nicht unbedingt vorauszusehen.

Der Umstand, daß der auf dem Wiener Plane
(ZeichnungFig.46) mit A, bezeichneteRaum außerdem
ein Geschoß über ihm liegenden als einziger mit
einem Erker versehen ist, gibt einen interessanten
Fingerzeig für eine neue Auffassung, wie sich die
furchtbare Exekution an den Getreuen Wallen-
steins vollzogen hat, ein Ereignis, welches noch
heute im Gedächtnisse der Nachwelt als eines der
schaurigsten fortlebt.

Der Entdecker des Planes, Herr Hofrat
Dr. Adoi.f Carmine, welcher sich mit diesem Kapitel,
wie schon früher erwähnt, näher beschäftigt hat, ge-
langte sofort nach der Auffindung zu der Überzeu-
gung, daß die Anhänger Wallensteins nicht, wie
bisher meist angenommen wurde51), in dem Zimmer
(W auf Plan Fig. 46) unmittelbar neben dem großen
Saale (T) ermordet worden sind, sondern in dem mit
A, bezeichneten Raume. Herr Hofrat Carmine war
so liebenswürdig, mir alle seine bezüglichen Ermitt-
lungen und Ansichten mitzuteilen, und hat mich
autorisiert, dieselben an dieser Stelle der Öffent-
lichkeit zu unterbreiten. Ich tue dies um so
lieber, als hierdurch auch eine für den Historiker
hochinteressante Frage angeschnitten wird, über
welche die zu erwartende Diskussion gewiß nähere
Aufklärungen bringen wird.

Carmine stützt seine Behauptung insbesondere
auf zwei Quellen, einmal auf eine Urkunde „Ey-
gentliche Abbildung vnd Beschreibung dess
Egerischen Panckets etc.“, welche von Murr in
seiner Schrift „Die Ermordung Albrechts, Herzogs
von Friedland“52 *) als Anhang veröffentlicht, ferner
auf die bereits des öfteren zitierte Schilderung
der Örtlichkeit, welche der Burggrafenamts-
verwalter im Jahre 1727 gibt und die im Pröckt.
wörtlich enthalten ist.

51) Auch Siege: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutschen
i. Böhmen. L. Jahrg., Heft III, S. 370.

52) C. G. v. Murr: Die Ermordung Albrechts, Herzogs

von Friedland (Halle 1806). (Vgl. Anm. 64 g und »).
 
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