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Betty Kurth Über den Einfluß der Wolgemut-Werkstatt im östlichen Süddeutschland
Mehrzahl der Figuren ziemlich genau abgeschrieben wurde. Die sechs Gestalten des vor-
dersten Bildplans sind zwar in gelockerter räumlicher Anordnung, aber in Haltung und Be-
wegung, im Faltenwurf, in den unruhigen knittrigen Linien der Gewänder fast ganz getreu
übernommen23). Der Realismus der Einzeldinge, die Darstellung des Wassers, der schwim-
menden Enten, der Vögel an der Quelle ist auch hier besonders hervorzuheben. Dagegen
trägt der Architekturprospekt im Hintergründe, das Städtchen mit den glatten Mauern, den
Fig. 47 Initiale 0 mit Apostelteilung
München, Hof- und Staatsbibliothek. Cod. germ. 125, fol. 23
quadratischen und kreisrunden Türmen, den spitzgiebeligen Häusern, den vielen regelmäßigen
Fenstern einen typisch schwäbischen Charakter. Nichtsdestoweniger scheint in der ikono-
graphischen Übernahme eines ganzen Figurenkomplexes, wie sie hier zu beobachten ist, dem
fremden Einfluß Tür und Tor geöffnet. Und das an sich unbedeutende Beispiel bekräftigt nur die
wiederholt ausgesprochene Hypothese, daß die Wolgemut-Schule auf die schwäbische Malerei
einen richtunggebenden Einfluß geübt hat. Hat man doch sogar bei führenden Künstlern, wie
Schüchlin und Herlin, die nämlichen Nürnbergischen Stilelemente zu erkennen gemeint24).
23) Die Namen der Apostel, die beigeschrieben sind,
entsprechen hier nicht den nämlichen Typen. Auch die
Missionsziele sind mehrfach geändert. An Stelle von
Thaddäus erscheint Judas und mitten unter den Aposteln
die Madonna im Hintergründe.
2J) Robert Vischer, op. cit., pag. 294 ff. — Abraham,
op. cit., pag. 240 ff. — Hans Schneider, Beiträge zur Ge-
schichte des niederländischen Einflusses auf die ober-
deutsche Malerei und Graphik 11m 1460—-8o. Dissertation,
Basel 1915, p. 75-
Betty Kurth Über den Einfluß der Wolgemut-Werkstatt im östlichen Süddeutschland
Mehrzahl der Figuren ziemlich genau abgeschrieben wurde. Die sechs Gestalten des vor-
dersten Bildplans sind zwar in gelockerter räumlicher Anordnung, aber in Haltung und Be-
wegung, im Faltenwurf, in den unruhigen knittrigen Linien der Gewänder fast ganz getreu
übernommen23). Der Realismus der Einzeldinge, die Darstellung des Wassers, der schwim-
menden Enten, der Vögel an der Quelle ist auch hier besonders hervorzuheben. Dagegen
trägt der Architekturprospekt im Hintergründe, das Städtchen mit den glatten Mauern, den
Fig. 47 Initiale 0 mit Apostelteilung
München, Hof- und Staatsbibliothek. Cod. germ. 125, fol. 23
quadratischen und kreisrunden Türmen, den spitzgiebeligen Häusern, den vielen regelmäßigen
Fenstern einen typisch schwäbischen Charakter. Nichtsdestoweniger scheint in der ikono-
graphischen Übernahme eines ganzen Figurenkomplexes, wie sie hier zu beobachten ist, dem
fremden Einfluß Tür und Tor geöffnet. Und das an sich unbedeutende Beispiel bekräftigt nur die
wiederholt ausgesprochene Hypothese, daß die Wolgemut-Schule auf die schwäbische Malerei
einen richtunggebenden Einfluß geübt hat. Hat man doch sogar bei führenden Künstlern, wie
Schüchlin und Herlin, die nämlichen Nürnbergischen Stilelemente zu erkennen gemeint24).
23) Die Namen der Apostel, die beigeschrieben sind,
entsprechen hier nicht den nämlichen Typen. Auch die
Missionsziele sind mehrfach geändert. An Stelle von
Thaddäus erscheint Judas und mitten unter den Aposteln
die Madonna im Hintergründe.
2J) Robert Vischer, op. cit., pag. 294 ff. — Abraham,
op. cit., pag. 240 ff. — Hans Schneider, Beiträge zur Ge-
schichte des niederländischen Einflusses auf die ober-
deutsche Malerei und Graphik 11m 1460—-8o. Dissertation,
Basel 1915, p. 75-