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Ein Porträt des Francesco Filelfo

Am 30, November 1459 schrieb der Augsburger
Studiosus Ulrich Gossembrot aus Padua an seinen
Vater, den mit dem Humanismus liebäugelnden
Bürgermeister Sigismund Gossembrot: „Mitto tibi
nunc, cum per mercatores ymagines naturales et in
plumbo elaboratas, principio Guarini Veronensis,
Francisci Philelfi, JohannisPetri preceptorum meorum,
deinde Julii Cesaris, ut fertur praeterea ducis Vene-
torum superiori tempore miseram, eciam ymagines
omnium ferme principum Italie ad te, ut cum pictore
Mang eciam eas communicares; sed opinor te nichil
accepisse1).“ Mit Recht hat der Literaturhistoriker,
der zuerst auf die Wichtigkeit dieses Zeugnisses für
eine auffallend frühe und direkte Verbindung Augs-
burgs mit der italienischen Kunst hingewiesen hat,
die Aufmerksamkeit der Kunstgeschichte für diese
Stelle gefordert2); neuerdings wurde sie von Abra-
ham herangezogen, um die Verschiedenheit des
demokratischen fortschrittlichen Augsburg und des
aristokratischen konservativen Nürnberg in ihrem
Verhältnis zur italienischen Renaissance charakteri-
sieren zu helfen: Diese aus Padua geschickten Bild-
nisse aus Blei, wohl Plaketten, konnten eine „
mittelbare Kenntnis italienischer Formen vermitteln3).
Ob es sich wohl nur um Plaketten gehandelt
hat? Mir scheint das „et“ zwischen „ymagines natu-
rales“ und „in plumbo elaboratas“ disjunktiv zu sein;
zwei Gruppen von Bildern schickt Gossembrot, die
durch die mit principio und deinde eingeleiteten
Appositionen näher erläutert werden: erstens nach
der Natur geschaffene Bilder seiner Lehrer, zweitens
in Blei gearbeitete Bildnisse von Julius Caesar und
den italienischen Fürstlichkeiten. Letztere, bei denen

2) Herrn. Schedels Briefwechsel, herausgegeben von
Paul Joachimsohn, Tübingen 1893. Bibliothek des literari-
schen Vereines in Stuttgart, CXC VI.
2) Max Herrmann, Die Rezeption des Humanismus
in Nürnberg, Berlin 1898, S. 109.
3) Er. Abraham, Nürnberger Malerei der 2. Hälfte des
XV. Jhs., Straßburg 1912, S. 239, Anmerkung. (Studien
zur deutschen Kunstgeschichte 157.)

der Absender die Naturtreue nicht wohl gewähr-
leisten konnte, mochten Plaketten sein; erstere, bei
denen der Empfänger sich für die Porträtähnlichkeit
besonders interessieren mochte, könnten auch anders-
artige Bildnisse gewesen sein; vielleicht Zeichnun-
gen, die der junge Augsburger selbst hatte anfertigen
lassen. Diese Deutung könnte etwas künstlich er-
scheinen; sie wird dadurch unterstützt, daß wir wohl
von Guarini4), nicht aber von den anderen Philosophen
Porträtplaketten besitzen und daß anderseits ein
merkwürdiges Bildnis Filelfos auf uns gekommen
ist, das durch diese Briefstelle am zwanglosesten
erklärt würde (Fig. 90), Die weiß gehöhte Zeichnung
auf blau grundiertem Grunde ist im Besitze des
Grafen Hans Wilczek in Wien und wurde seinerzeit
in der Albertina-Publikation veröffentlicht (Nr. 963).
Sie zeigt den Francesco Filelfo, dessen Name ein
langes wirr verschlungenes Schriftband trägt, in
dozierender Haltung in einem betstuhlartigen Ka-
theder sitzend; Putten und verwildertes Kriechwerk
zieren Wangen und Baldachin des phantastischen
Möbels. Dieses sehr lebendige Bildchen wurde in der
Albertina-Publikation als oberdeutsch bezeichnet;
trotzdem kann es gar wohl in Padua entstanden
sein, wo es deutsche Maler genug gab5), „was
weiter nicht verwunderlich ist, wenn man bedenkt,
wie stark damals die deutsche Kolonie in Padua
war6).“ Wir können unbedenklich noch weiter gehen
und die Zeichnung einer bestimmten Schule zu-
weisen; nirgends in Deutschland wurde um 1459 —
ob diese Zeichnung nun wirklich für Gossembrot
verfertigt wurde oder unabhängig von jener Brief-
stelle ein paar Jahre früher oder später entstanden
ist — so gezeichnet außer in Tirol; nur ein Maler
der Brixen-Neustifter Schule kann der Urheber dieses
Blattes sein. Die allernächste Verwandtschaft damit

4) Von Matteo de Pasti.
6) Deutsche Maler im „Statuto della Fraglia dei pittori
di Padova del MCCCCXLI“ in ArchivioVeneto, VIII (1874).
6) A. Moschetti, Documenti relativi alla pittura pado-
vana del secolo XV, inNuovo ArchivioVeneto, N. S.XV, 149.
 
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