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Hans Heubach Die Hamburger Malerei unter Meister Bertram und ihre Beziehungen zu Böhmen

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Fig. 79 Paris, Musee des arts decoratifs, Heimsuchung

denn doch nicht. Gleich krasse Beispiele dafür bietet die „Fußwaschung“ (Fig. 82). Von
Gleichgewicht oder gar von Symmetrie ist keine Rede mehr. Man könnte eher von lockerer
Aufreihung sprechen. Das würde darauf schließen lassen, daß der Maler erheblich jünger
als der Meister des Grabower Altars sein muß, und wirft dann ein schlechtes Licht auf
sein Können. — Daß ihm die Neuerungen, wie sie der Buxtehuder Altar bringt, gar
nicht geläufig sind, zeigt auch sein Verhältnis zum Bildinhalt. Es ist anders als das
Bertrams, von dessen konzentrierter Erzählungsweise hier nichts zu spüren ist. Aber er
ist dafür ganz frei von den Trivialitäten, die ein neuer Wirklichkeitssinn, ein Gefallen an
kleinen Zügen und Nebenumständen bei den Altären von Buxtehude und Harvestehude
verschuldete. Es herrscht eine Gleichgültigkeit’ vor, die sich weder mit dem Stil Bertrams,
noch mit dem des Buxtehuder Altars recht vereinbaren läßt. Sie würde am ehesten zu
noch späteren Erscheinungen passen.
In der Formauffassung steht er nun wieder ganz auf dem Standpunkt Bertrams. Er
modelliert wie jener aus dem Hellen (vorn) ins Dunkle (nach hinten). Aber er ist darin nicht
mehr so schroff. Seine Menschen haben in ihren Gewändern nicht mehr diese Härte, dies
Betonen der Undurchdringlichkeit, die der Reaktion gegen die Körperlosigkeit in der mittel-
alterlichen Kunst verdankt wurde. Er ist weich in seinen Oberflächen, wie er in seinen Linien
weich ist. Es fehlt ihm die übertriebene Materialität der Dinge. Er steht in einer Zeit, die
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