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Hans Tietze Domenico Martinelli und seine Tätigkeit für Österreich

sowie in der Mathematik ziemlich bewandert, die Mutter Klara stammte aus der Familie
Pallavicini. Vier Söhne und zwei Töchter entsprossen der Ehe; drei der Söhne widmeten
sich dem geistlichen Stande, der jüngste folgte dem Beruf des Vaters, der aber schon starb,
als Domenico, der zweitgeborene, dessen vielversprechende Begabung er selbst auszubilden
begonnen hatte, sein zweites Lustrum kaum überschritten hatte. Sein älterer Bruder, dessen
Sorge er nun anvertraut blieb, wollte ihn zum Geistlichen erziehen und widersetzte sich
seinen künstlerischen Neigungen, die sich trotzdem in fleißigem Kopieren von Zeichnungen
der damaligen Künstler Luccas äußerten2); blieben so die negativen Bemühungen seines
Bruders vergeblich, so hatte dessen Einfluß den positiven Erfolg, daß Domenico den geist-
lichen Stand ergriff und am i. Oktober 1673 zum Priester geweiht wurde. Die Frömmigkeit,
die ihn zeitlebens nicht verließ, hinderte ihn nicht, sein selbständiges Studium der Zeichen-
kunst und der Architektur fortzusetzen. Ein damit zusammenhängender Auftrag des Dom-
kapitels, einen Plan seines Martyrologiums und Terrilogiums zu entwerfen, brachte Martinelli
in einen für seinen Charakter sehr bezeichnenden Konflikt mit dieser geistlichen Behörde
und führte ihn nach dem schon lange ersehnten Rom; durch die in keinem Verhältnis zu
seinen dreijährigen Mühen stehende Entlohnung aufgebracht, forderte der jähzornige Künstler
unter dem Vorwand notwendiger Verbesserungen seine Arbeit zurück und verbrannte sie
vor den Augen des anläßlich einer feierlichen Prozession versammelten Kapitels. Diese
öffentliche Beleidigung des Kapitels, dem er jede Bitte um Entschuldigung hartnäckig ver-
weigerte, machte Martinelli den Aufenthalt in seiner Vaterstadt unmöglich; er verließ sie
mit .Erlaubnis des Bischofs und begab sich am 28. Dezember 1678 nach Rom. Hier benützte
er seine ersten Jahre zu unermüdlichen Studien und zur Vervollkommnung in seiner Kunst.
Er trat in Berührung mit dem Architekten Carlo Fontana, mit den Malern Ghezzi, Rosa,
Maratta und anderen Künstlern und wurde Mitglied der Akademie von S. Luca, wo er in
der Folge die Würde eines Kustoden und öffentlichen Lektors für Perspektive und Architektur
bekleidete. Diesem Amte widmete er sich mit besonderem Eifer3) und nahm von seinen
allen Nationen angehörenden Schülern niemals eine Entlohnung an. Überhaupt wollte er,
durch die ihm daheim widerfahrene Kränkung abgeschreckt, von Honorar und Bezahlung,
deren bloße Bezeichnungen ihm schon zuwider waren, nichts hören. Diese herbe Uneigen-
nützigkeit, die er sein Leben lang beibehalten hat, war ihm sogar schädlich4), denn manche
ließen sich dadurch abhalten, sich ihm zu nähern. Und daher mag es kommen, daß sein
Name mit keiner der zahlreichen damaligen Bauunternehmungen Roms verknüpft erscheint.
Jedesfalls brachte ihn sein galliges Temperament, das keine Rücksicht auf den eigenen
Vorteil nahm, dazu, einen der einflußreichsten Kardinäle Roms, der ihn beschäftigen wollte,
von dessen Dienerschaft er aber irrtümlich abgewiesen worden war, empfindlich zu beleidigen.

2) Eine Anmerkung der Biographie nennt als solche
damals wirkende Künstler die Maler Pietro Paulini, Gio.
Marracci, einen Minoritenbruder Ippolito und Domenico
Brugieri, ohne einen von ihnen in ein engeres Verhältnis
zu Martinelli zu setzen.

3) Der Biograph rühmt besonders die Instrumente,
die Martinelli zum Vermessen und Zeichnen in der Land-
schaft erfunden habe.

4) Diese Gleichgültigkeit in Geldangelegenheiten hatte
Orlandi (Abecedario Pittorico, Napoli 1783) wohl im Auge,
wenn Cr erzählt, Martinelli habe von dem Pfalzgrafen, in
dessen Dienst er stand, wiederholt unterschriebene, aber

unausgefüllte BiankoanWeisungen erhalten. Nagler hat den
Sinn dieser Anekdote, deren Möglichkeit übrigens von einem
genauen Kenner der Kunstbestrebungen des Hauses Pfalz-
Neuburg auf das nachdrücklichste in Abrede gestellt wird
(Th. Levin, in Beiträge zur Gesch. d. Niederrheins XX),
völlig umgekehrt, wenn er berichtet: Am Hofe in Mannheim
— hier liegt eine in der älteren Literatur häufig vorkommende
Verwechslung mit Düsseldorf vor, denn in Mannheim gab es
damals keinen Hof — wurde ihm öfter die Freiheit gelassen,
seine Arbeiten auf einem von dem Fürsten Unterzeichneten
Papiere nach eigenem Belieben zu schätzen, wobei er nicht
zu kurz kam, da bei ihm das Interesse vorherrschend war.
 
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