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Wiener Baukünstler in Preßburg im Theresianischen Zeitalter.

Nach dem Falle von Ofen hatte Ferdinand I.
im Jahre 1536 Preßburg zur Hauptstadt Ungarns er-
hoben. Die folgende Periode, für Ungarn keine glück-
liche, bedeutet für Preßburg aber die Zeit großen
Aufschwunges von einer wenig bedeutenden Pro-
vinzialstadt zur Haupt- und Krönungsstadt des Landes.
Nicht nur als Sitz des Palatins und des Landtages
der weltliche, sondern auch der geistliche Mittelpunkt
Ungarns wurde Preßburg, indem auf Befehl Kaiser
Ferdinands auch der Primas von Ungarn, Paul von
Varda (f 1549), der von Gran, dem bisherigen Pri-
matialsitz, vor den Türken nach Tyrnau geflüchtet
war, seine Residenz im Jahre 1543 in Preßburg auf-
schlug1).

Als nach den glänzenden Siegen des Prinzen
Eugen ganz Ungarn den Habsburgern zufiel, konnte
die Folge für einen neuen Aufschwung der Haupt-
stadt des Landes natürlich nicht ausbleiben. Mit der
Barockperiode, die für Preßburg etwa mit 1683 be-
ginnt, setzte eine lebhafte Bautätigkeit ein, die ihren
Höhepunkt erreichte, als Maria Theresia nach dem
Landtage von 1741 ihre besondere Fürsorge der Stadt
Preßburg zuwandte, in welcher sie häufig vorüber-
gehend Aufenthalt nahm. Zahlreiche Adelsfamilien,
die bis dahin nur gelegentlich während der Landtage
in Preßburg geweilt hatten, bauten sich jetzt ihren
ständigen Wohnsitz in der Stadt.

Bei diesen großen Bauten der Theresianischen
Periode kamen, soweit uns die Namen überliefert
sind, keine einheimischen, sondern nur Wiener Bau-
künstler in Betracht.

Die kirchliche Bautätigkeit tritt in dieser Glanz-
periode Preßburgs, wenn sie auch nicht gänzlich Still-
stand, dem Zuge der Zeit entsprechend in den Hinter-
grund gegenüber den Palästen und großen öffent-
lichen Bauten. Es entstanden damals die Kirche der
Elisabethinerinnen, das Kloster und die Kirche der
Congregation de Notre Dame (1759), die deutsche

*) Preßburg blieb Residenz des Primas bis 1820. In

diesem Jahre verlegte Alexander Rudnay (1819—1831)
seinen Sitz wieder nach Gran zurück.

evangelische Kirche (1774—1776), die ungarisch-slo-
vakische evangelische Kirche (1777) und die schon
ganz klassizistische Kirche des im Jahre 1778 be-
gründeten Lazaretts. Die Namen der Baumeister der-
selben sind uns jedoch mit Ausnahme der Elisabethi-
nerinnenkirche nicht überliefert, Anhaltspunkte zu
ihrer Feststellung nicht vorhanden.

Das bedeutendste kirchliche Bauwerk der There-
sianischen Zeit ist die Kirche und das Kloster der
Elisabethinerinnen in der Spitalgasse (Abb. 1). Das
Klostergebäude, ein einfacher, zweistöckiger Bau, hat
ein hübsches Barockportal mit zwei lebensgroßen Sand-
steinfiguren beiderseits desselben in Nischen; rechts
einenHerrscher in ungarischerTracht,links einen Engel’
der ganz an die Engelfiguren Rafael Donners erinnert.
Ober dem Portal steht eine Statue der hl. Elisabeth
in Nonnentracht (Abb. 2), die eine dreifache Krone
auf einem Polster trägt. An das Kloster grenzt rechts
die Kirche, ein innen und außen reichgeschmückter
Barockbau. Über dem Portal befindet sich ein großes,
reich umrahmtes Fenster. Links und rechts von dem-
selben stehen in Nischen zwischen je zwei Pilastern
zwei Sandsteinfiguren, zwei ungarische Herrscher in
Rüstung darstellend. Die Mittelnische des Giebels ent-
hält eine Statue der hl. Elisabeth, die einem zu ihren
Füßen kauernden Bettler (sozusagen einem Zwillings-
bruder des Bettlers von R. Donners St. Martins-Gruppe
im Dom) eine Gabe reicht2). Der ziemlich niedere

2) E. Tietze-Conrat (Unbekannte Werke von G. R.
Donner. Jahrbuch d. k. k. Zentralkomm. f. K. u. hist. Denkm.
Bd. III 1905 S. 197—267) S. 241 mutmaßt hier Donners
Tätigkeit. Vom Marmoraltar in der Kirche behauptet sie
direkt, daß er aus Donners Werkstätte stamme (S. 241
Anm. 3). Da die Kirche wahrscheinlich erst nach Donners
Abgang von Preßburg begonnen, nach seinem Tode voll-
endet wurde, ist eine direkte Beteiligung desselben beim
Bau ausgeschlossen. Inwieweit er bei der Planung derselben
beteiligt war, ob etwaige Entwürfe Donners für den figuralen
Schmuck erst später zur Ausführung gelangten oder bereits
vorhandene Modelle (Originalwerke Donners scheinen die
Statuen jedesfalls nicht zu sein) verwendet wurden, soll in
diesem Zusammenhänge nicht näher untersucht werden.
 
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