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Hans Tietze Domenico Martinelli und seine Tätigkeit für Österreich
uneigennützig, heiter, bescheiden, respektvoll; bereit allen zu dienen, weshalb ihm jedermann
gewogen war; und so mäßig, ehrenhaft und fromm, daß er sich der allgemeinen Verehrung
und Liebe würdig erwies. Den geistigen Gaben entsprach das Äußere seiner Person; wohl
geformt, etwas mehr als mittelgroß, mit länglichem vollen Antlitz, lebhaften Augen, breiter
Stirn, kräftiger Gesichtsfarbe und dunklem, nachlässig gescheitelten Haar. Ein Porträt, von
Amb. Giannelli nach einem Gemälde Gaullis gezeichnet, ergänzt in einem guten Stich diese
Schilderung (Abb. i).
Den Schluß des Bändchens bildet ein Verzeichnis der Werke Martinellis; es erhebt
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da sich für viele seiner Bauten im Nachlaß keine
Belege vorfanden, sondern enthält nur solche Arbeiten,
über die Briefe oder Zeichnungen Vorlagen. Immerhin
bildete sein überaus wertvolles Gerüst für die Kenntnis
der umfangreichen Tätigkeit unseres Meisters.
In der Heimat machte er, obwohl er im allgemeinen
wenig Gelegenheit zum Schaffen fand, die Zeichnung
für die vornehme S.-Ignatius-Kapelle in der Kollegiat-
kirche von S. Giovanni, wo sich der Geschmack und
das Können des Künstlers deutlicher aussprechen
würden, wenn die Vorsteher in ihrer Unerfahrenheit
nicht so willkürlich vorgegangen wären. Der Hochaltar
in der Kirche der Nonnen von S. Nikolaus geht auf
seine Zeichnung zurück, wurde aber mit so wenig
Verständnis ausgeführt, daß jeder, der ihn sieht, ihn so
geschmacklos findet, daß er ihn abgerissen und auf
seine eigenen Kosten wiederhergestellt sehen möchte.
Weiter zeichnete er den Hochaltar der Andreaskirche.
Von diesen Altären sind noch die Zeichnungen vor-
handen, die so sorgfältig gezeichnet und aquarelliert
sind, daß sie den sicheren Geschmack Martinellis be-
kunden. Er entwarf auch andere kleinere Altäre, unter
ihnen den der großen Kongregation der Väter der
Muttergottes in S. Maria Cortelandini, der durch die Ungeschicklichkeit der Handwerker
den ursprünglichen Gedanken nur noch undeutlich verrät. Das Stiegenhaus der Herren
Talenti bei S. Simo und jenes des Palazzo Sirti nebst dem Hauptportal waren seine Er-
findung. Es gibt auch eine Zeichnung für die Konstruktion der S.-Petrus-Brücke, die mit
unsagbarer Überlegung und Kunst entworfen, aber nicht ausgeführt wurde. Er zeichnete
einen Palast in Lucca für Herrn Vincenzo Lucchesini und die wohlangeordnete majestätische
Fassade der Olivetanerkirche S. Ponziano, beides blieb Entwurf; weiter machte er für die
Herren dal Portico eine Zeichnung für ihren Stadtpalast, der aber nur teilweise und mit
vielen willkürlichen Änderungen aufgeführt wurde13).
In Rom baute er die Kirche delle Stimmate, wozu sich die Zeichnung mit sehr vielen
anderen als Erbschaft von Martinellis Bruder in der reichen und schönen Sammlung der
13) In der Lokalliteratur Luccas habe ich über diese II forestiero informato delle cose di Lucca, daselbst 1721)
Arbeiten nichts finden können; auffallend ist, daß ein Marti- seinen Namen überhaupt nicht nennt,
nelli beinahe zeitgenössischer Stadtführer (Vinc. Marchiö,
Abb. I Bildnis Domenico Martinellis.
(Nach einem Stich nach einem Gemälde
Bacciccios.)
Hans Tietze Domenico Martinelli und seine Tätigkeit für Österreich
uneigennützig, heiter, bescheiden, respektvoll; bereit allen zu dienen, weshalb ihm jedermann
gewogen war; und so mäßig, ehrenhaft und fromm, daß er sich der allgemeinen Verehrung
und Liebe würdig erwies. Den geistigen Gaben entsprach das Äußere seiner Person; wohl
geformt, etwas mehr als mittelgroß, mit länglichem vollen Antlitz, lebhaften Augen, breiter
Stirn, kräftiger Gesichtsfarbe und dunklem, nachlässig gescheitelten Haar. Ein Porträt, von
Amb. Giannelli nach einem Gemälde Gaullis gezeichnet, ergänzt in einem guten Stich diese
Schilderung (Abb. i).
Den Schluß des Bändchens bildet ein Verzeichnis der Werke Martinellis; es erhebt
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da sich für viele seiner Bauten im Nachlaß keine
Belege vorfanden, sondern enthält nur solche Arbeiten,
über die Briefe oder Zeichnungen Vorlagen. Immerhin
bildete sein überaus wertvolles Gerüst für die Kenntnis
der umfangreichen Tätigkeit unseres Meisters.
In der Heimat machte er, obwohl er im allgemeinen
wenig Gelegenheit zum Schaffen fand, die Zeichnung
für die vornehme S.-Ignatius-Kapelle in der Kollegiat-
kirche von S. Giovanni, wo sich der Geschmack und
das Können des Künstlers deutlicher aussprechen
würden, wenn die Vorsteher in ihrer Unerfahrenheit
nicht so willkürlich vorgegangen wären. Der Hochaltar
in der Kirche der Nonnen von S. Nikolaus geht auf
seine Zeichnung zurück, wurde aber mit so wenig
Verständnis ausgeführt, daß jeder, der ihn sieht, ihn so
geschmacklos findet, daß er ihn abgerissen und auf
seine eigenen Kosten wiederhergestellt sehen möchte.
Weiter zeichnete er den Hochaltar der Andreaskirche.
Von diesen Altären sind noch die Zeichnungen vor-
handen, die so sorgfältig gezeichnet und aquarelliert
sind, daß sie den sicheren Geschmack Martinellis be-
kunden. Er entwarf auch andere kleinere Altäre, unter
ihnen den der großen Kongregation der Väter der
Muttergottes in S. Maria Cortelandini, der durch die Ungeschicklichkeit der Handwerker
den ursprünglichen Gedanken nur noch undeutlich verrät. Das Stiegenhaus der Herren
Talenti bei S. Simo und jenes des Palazzo Sirti nebst dem Hauptportal waren seine Er-
findung. Es gibt auch eine Zeichnung für die Konstruktion der S.-Petrus-Brücke, die mit
unsagbarer Überlegung und Kunst entworfen, aber nicht ausgeführt wurde. Er zeichnete
einen Palast in Lucca für Herrn Vincenzo Lucchesini und die wohlangeordnete majestätische
Fassade der Olivetanerkirche S. Ponziano, beides blieb Entwurf; weiter machte er für die
Herren dal Portico eine Zeichnung für ihren Stadtpalast, der aber nur teilweise und mit
vielen willkürlichen Änderungen aufgeführt wurde13).
In Rom baute er die Kirche delle Stimmate, wozu sich die Zeichnung mit sehr vielen
anderen als Erbschaft von Martinellis Bruder in der reichen und schönen Sammlung der
13) In der Lokalliteratur Luccas habe ich über diese II forestiero informato delle cose di Lucca, daselbst 1721)
Arbeiten nichts finden können; auffallend ist, daß ein Marti- seinen Namen überhaupt nicht nennt,
nelli beinahe zeitgenössischer Stadtführer (Vinc. Marchiö,
Abb. I Bildnis Domenico Martinellis.
(Nach einem Stich nach einem Gemälde
Bacciccios.)