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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 13.1919

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Guby, Rudolf: Die Dreifaltigkeitskapelle in Paura bei Lambach (Oberösterreich): Kunsthistorisches Begleitwort zu P. Augustin Rabensteiners "Archivalien zur Baugeschichte der Dreifaltigkeitskapelle in Paura"
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https://doi.org/10.11588/diglit.27700#0112
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Rudot.f Guby Die Dreifaltigkeitskapelle in Paura bei Lambach (Oberösterreich)

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liches Wesen versinnbildet, das sich in heißer Inbrunst gegen das Tabernakel wendet. Die
Figur kniet auf einem mächtigen Felsen. Als weitere Attribute sind ihr ein kleines Modell
einer Rundkirche und die päpstliche Tiara beigegeben, welche ein Putto über sie hält, der
zugleich mit vielzackigem Blitz die Mächte der Hölle in den Abgrund schleudert. Die
höllischen Mächte sind durch eine häßliche zahnlose Mannsperson mit Schlangen in den
Händen und durch ein entzückendes fischschwänziges Nixlein, das vor dem Blitzstrahl
gezwungen ist, die Larve vom Gesicht zu reißen, dargestellt. Die häßliche und sinnenbetörende
Sünde sind glänzend geschildert (Abb. 50). Es ist köstlich, wie sich der Künstler in seiner
lebendigen Erzählung gar nicht genug tun konnte, wie er z. B. die kniende Ecclesia noch
mit dem Fuß nach dem Schwanz der Nixe treten läßt. Nicht minder weitgehend ist der

Abb. 68 Andrea Pozzo, Ausschnitt aus dem Entwurf zum Ignatiusaltar.

Entwurf Pozzos in der zweiten Dachungsgruppe, welche den Sieg des Glaubens dai*stellt, um-
geändert (Abb. 49). Allerdings dürfte bei dieser Umgestaltung vielleicht auch ein Mißverstehen
der Vorlage mitgespielt haben. Der Künstler in Paura machte nämlich aus dem Ketzer,
den Pozzo durch den einer Königskrone ähnelnden Ketzerhut gekennzeichnet hatte, einen
König, der mit gefalteten Händen der symbolischen Gestalt des Glaubens huldigt. Die Figur
des den Unglauben darstellenden alten Weibes, welches in Pozzos Entwurf den Ketzer von
der Bekehrung zum Glauben zurückhält, versetzte der Meister in Paura in Konsequenz seines
Mißverständnisses durch die Figur eines Ketzers, vielleicht eines lutherischen Prädikanten,
welcher die Büste Martin Luthers in der Hand haltend vor dem Glauben zu Boden
geschleudert wird.

So wird aus Pozzos Vorlage ein völlig neues Kunstwerk von durch und durch deutschem
Charakter. Gerade wegen dieser starken heimatlichen Note, die viel verwandten Geist mit
der Kunst des gleichzeitig in Bayern tätigen Egyd Quirin Asam hat, möchte ich lieber an
Götz wie an Messenta als den Umgestalter des Pozzoschen Entwurfes denken. Götz war ja
 
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