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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Kenner, Friedrich: Römische Medaillons, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0018
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I 2 Friedrich Kenner.

Bildniss und Namen des letztgenannten Kaisers in Rom selbst nicht mehr zu denken. Unser Medaillon
verräth aber in allen Merkmalen die Kennzeichen der Entstehung in der Hauptstadt; er ist daher im Jänner
oder Februar des Jahres 238 entstanden.

Damit ist ein Anhalt für die Deutung des Bildes gewonnen. Es stellt ein Opfer vor, welches Maximinus
und sein Sohn Maximus im Prätorium des Standlagers von Sirmium (heute Mitrovic) darbrachten, wo sie
den Winter hindurch weilten und einen mit Anbruch des Frühjahres zu eröffnenden Feldzug gegen die
nördlich wohnenden Germanenstämme vorbereiteten;1 wahrscheinlich geschah dieses Opfer zum Jahres-
beginne, zu welchem sich mit Rücksicht auf den bevorstehenden Krieg eine besondere Feierlichkeit auch
im Standlager voraussetzen lässt. Auf letzteres weisen die Feldzeichen, die im Hintergrunde sichtbar sind,
hin. Nicht ohne Absicht scheint statt der Roma, die sonst mit dem Attribut des beherrschten Erdkreises
ausgestattet wird, die Minerva die Erdkugel zu halten; sie ist als die kriegerische Göttin im Allgemeinen
gedacht, ohne specielle Beziehung auf eine ihrer Legenden. Damit war die Hinweisung auf die Stadt Rom,
die der Kaiser als den vom Senat beherrschten Mittelpunkt der classischen Bildung mied, umgangen und,
den damaligen Verhältnissen entsprechend, das Standlager als der Brennpunkt der Weltherrschaft hingestellt.

Die Schutzgötter des Kaisers und seines Sohnes sind Hercules und Apollo; diese hier zum ersten
Male aus Münzen nachweisbare Thatsache stimmt trefflich zu den Nachrichten, welche die Historia
Augusta überliefert. Der Kaiser, ein Riese von mehr als acht römischen Fuss Höhe, überaus tapfer und
mit der Kraft eines Athleten ausgestattet, wurde schon zu Elagabalus' Zeiten mit den kräftigsten Helden
der Vorzeit: Achilles, Aiax, Milo von Croton, Antaeus, selbst mit Hercules in eine Linie gestellt;2 letztere
Bezeichnung war, wie wir aus dem Bilde unseres Medaillons schliessen müssen, die dem Kaiser genehmste
und entsprach seiner Neigung am meisten. Ebenso wurde sein Sohn, der schönste Jüngling seiner Zeit,
dessen Kopf nach seinem Tode und schon am Beginne der Verwesung noch immer dem eines schönen
Gespenstes ähnlich sah,3 von dem Grammatiker Fabilius, der ihn im Griechischen unterrichtete, dem licht-
bringenden Apollo (Lucifer) verglichen; von ihm verfasste griechische Epigramme waren namentlich auf
den Bildnissen des Cäsars noch im 4. Jahrhunderte vorhanden. 4

Schon Eck hei hat darauf hingewiesen, wie schnöde Apollo seinen Schützling verliess; kaum ein
halbes Jahr später stand der Gott vielmehr den vom Kaiser belagerten Römern in Aquileia bei, indem er,
d. h. der keltische Apollo Belenus, diesen durch die Opferbeschauer die Versicherung des Sieges gegeben
haben soll, gerade zur Zeit, als sie daran waren, mit Maximinus wegen Uebergabe der Stadt zu verhandeln.
Damit wenigstens ermuthigten Menophilus und seine Amtsgenossen, welche vom Senat abgeschickt waren,
um Aquileia gegen Maximinus zu halten, die Einwohner der Stadt zu neuem Widerstande gegen diesen;
in der That scheiterte die Belagerung und endete mit einer Empörung der eigenen Truppen des Kaisers,
welche seinen Sohn und dann ihn selbst tödteten.

98. Taf. II, Fig. 98.
Vorderseite wie Nr. 97.

Rev. VICTORIA AVGVSTORVM Beide Kaiser, einander gegenüber stehend, halten auf den verschlungenen
rechten Händen eine schwebende Victoria. Der Vater, durch höhere Gestalt und Lorbeerkranz bezeichnet,
mit der Rüstung angethan, von links gesehen, hat überdies in der Linken schräge das Scepter liegen; der
Sohn (von rechts), mit blossem Kopf und in der Toga, hält in der Linken eine Rolle. Hinter jedem der
beiden Kaiser steht ein vollständig gerüsteter bärtiger Krieger, den Helm auf dem Kopfe, den Schild am
linken Arm und die Rechte auf den umgekehrten Speer gestützt; von ihnen ist jener links neben dem
Vater von vorne, der andere von rechts dargestellt. Zu Füssen der beiden Kaiser sitzen einander zu-
gewendet zwei kleine Figuren, vielleicht gefangene Könige; doch lässt sich bei der Unklarheit in Folge
von Verwetzung eine nähere Beschreibung nicht geben.

1 Herodian, VII, 2.

2 Vita Maximini, c. 4 und 6.

3 Vita Maximini junioris, c. 6.

4 Ebenda c. 1 und 6.
 
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