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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Eine Fulder Miniaturhandschrift der k. k. Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0013
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Eine Fulder Miniaturhandschrift der k. k. Hofbibliothek.

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Denkmälern vor; so auf den grossen Goldmedaillons von Szilägy-Somlyo in Wien und auf den Con-
secrationsmünzen Constantins, auf denen er ganz wie Elias, empfangen von der Hand Gottes, auf einem
Wagen gegen Himmel fährt. Nun erscheinen aber auf den Aversseiten spätrömischer Münzen des
V. Jahrhunderts die Kaiserinnen, und zwar auffallenderweise nur diese ganz so dargestellt wie oben
Judith, im Brustbild, während über ihrem Haupte die Hand Gottes einen Kranz aus den Wolken reicht.
Als Beispiel diene eine Goldmünze der Pulcheria.1

Hrabanus Maurus ist es aber auch, der dem altbeliebten Gegenstande der figurirten Gedichte, dem
Kreuze, ein ganzes Buch dieser Art gewidmet hat, seinen berühmten »Liber de laudibus sanctae crucis«,
in dessen Vorrede er sich ausdrücklich auf Porfyrius als sein Muster und Vorbild beruft. Es verherrlicht
das Crucifix, welches in mystischer Weise als Alpha und Omega der Welt aufgefasst und in mannigfache,
durch Zahlensymbolik ausgedrückte Beziehungen zu der letzteren gesetzt wird. Jede Versseite enthält
ein Figurengedicht in Hexametern, die gegenüberstehende Seite die Erklärung desselben in Prosa. Ein-
zelne Figuren haben sich zu ganzen, vollständig ausgeführten Miniaturen entwickelt, die ihr eigen-
thümliches Interesse haben. Das Buch ist aber auch nicht minder durch seine mystischen Auslegungen
merkwürdig, zumal da es durch seine grosse Verbreitung der Symbolik des späteren Mittelalters ausser-
ordentlich zu Statten kam.

Es ist das erste grössere, rein symbolische Werk, welches mit der Kunst in unmittelbarem
Zusammenhange steht. Vergessen wir nicht, dass sich zur Zeit seiner Abfassung, im IX. Jahrhundert,
in der Kunst schon eine leise Strömung nach dem Symbolischen bemerklich macht. Ich habe über ein-
zelne hieher gehörige Erscheinungen, den dreieckigen Kreuzgang in St. Riquier (Sinnbild der Drei-
faltigkeit), den dreitheiligen Altar in Aniane, die Michaelskapelle in Fulda mit ihren die acht Seligkeiten
versinnbildlichenden Säulen in meinen Beiträgen zur Kunstgeschichte aus den Schriftquellen des frühen
Mittelalters (Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. CL, Bd. CXXIII,
2. Abhandlung) des Näheren gehandelt. Bemerkenswerth ist, dass sich der Ausdruck »typice«, welcher
von jenen Werken (im Abtkatalog von Fulda, in der Biographie des heil. Benedict von Aniane) ge-
braucht wird, auch in der Widmung unseres Codex findet (Intercessio Albini pro Mauro v. i3 ff., Migne,
Patrologia Lat., vol. 107, 137; Mon. Germ., Poetae Lat., vol. II, p. 159, Nr. I):

Ast ubi sex lustra implevit, iam scribere temptans

Ad Christi laudem hunc edidit arte librum,
Quo typicos numeros, tropicas et rite figuras

Indidit, ut dona panderet alma dei.
Passio quid Christi mundo conferret honoris,

Qualiter antiquum vinceret et celydrum,
Quod sie venturum saneti cecinere prophetae

Ac libri legis, grammate rite dabant.

Diese Verse enthalten zugleich das Programm des Werkes.

1 Ich ziehe nicht ohne Absicht hier und im Folgenden die römischen Münzen heran. Sie sind nicht nur die treuesten,
weil olficiellen und chronologisch genau bestimmbaren Zeugen ihrer Zeit; sie waren auch der karolingischen Periode wohlbe-
kannt und von ihr als künstlerische Vorbilder genutzt. Ich brauche zur Bestätigung des Gesagten nur auf die Nachbildungen
von Münzen zu verweisen, wie sie sich namentlich in den Miniaturen der Schule von Tours (Bamberger Alcuinbibel, Sacra-
mentar von Autun) finden. Die abgebildeten Münzen stammen sämmtlich aus dem Wiener Münzcabinet.
 
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