Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.
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Wie hervorragenden künstlerischen Werth auch einige unter Karl IV. ausgeführte Bilderhand-
schriften, wie das Mariale und Orationale des Arnestus, der Liber viaticus des Johann von Neumarkt,
das Lehrbuch der Moral von Thomas Stitny besitzen, wie sehr sie auch im Figürlichen die späteren
handwerksmässigen Leistungen übertreffen, so erhält die Miniaturkunst ihre eigentliche Bedeutung doch
erst unter Wenzel I. (IV.) Während bis jetzt keine einzige Handschrift bekannt ist, welche Karl IV.
direct zum Urheber hätte, geht eine ganze Reihe zum Theil sehr prächtig ausgestatteter Codices auf die
Initiative Wenzels zurück. Sie sind die Reste einer nicht ganz unbeträchtlichen Bibliothek, welche, zum
Theil in deutschen Uebersetzungen, Werke theologischen, juridischen, naturwissenschaftlichen und
poetischen Inhaltes aufwies. Ihre Geschichte ist glücklicher Weise genau zu verfolgen. Die seltensten
und kostbarsten Werke sind nach dem Tode Wenzels 141g in die Hände seines Bruders Sigismund
und durch dessen Tochter Elisabeth (wohl 1437, nach Sigismunds Tode) an Albrecht II. und somit in
den Besitz des Erzhauses Oesterreich gekommen. Friedrich III., der nächste Besitzer, widmete ihnen
grosse Sorgfalt, liess sie revidiren und zum Theile neu binden. Durch seine Descendenz (Maximilian I.,
Ferdinand I.) gelangten sie schliesslich an den grossen Kunstfreund Erzherzog Ferdinand von Tirol,
der sie seiner berühmten Sammlung auf Schloss Ambras einverleibte. 1665 wanderten sie mit den
583 Handschriften, welche Lambecius auf Befehl Kaisers Leopold I. in die Hofbibliothek übernahm,
nach Wien, mit Ausnahme des Willehalm von Oranse, der erst 1806 mit dem Hauptstocke der Ambraser-
Sammlung in das »untere Belvedere« (jetzt Sammlung der kunstindustriellen Gegenstände des neuen
Hofmuseums) kam. Im Laufe der Zeiten hatten sich aber einzelne Werke dieser Bibliothek abgelöst
und waren in verschiedene andere Sammlungen, nach Salzburg, München, ja bis in die Niederlande
hinein versprengt worden.
Die nachfolgende Aufzählung sucht die Bibliothek Wenzels, soweit mir deren Bestand klar ge-
worden ist, zu restituiren. Manches mag noch in dieser oder jener Bibliothek sich finden; bei dem
Charakter dieses Jahrbuches wird man es begreiflich finden, wenn ich das Hauptgewicht auf die in
Wien befindlichen Handschriften lege.1 Ein Verzeichniss der mit wenigen Ausnahmen durchwegs den
behandelten Codices entnommenen Abbildungen sammt Angabe der Provenienz findet man am Schlüsse
dieser Abhandlung.
I. Theologie:
1. (1—6.) Die sogenannte »Wenzelsbibel« in 6 Bänden (Ms. Ambras. Nr. 17). Hofbibliothek (Nr. 275g
bis 2764). — Deutsch.
2. (7—8.) Bibel vom Jahre 1402 des Museum Plantin-Moret in Antwerpen in 2 Bänden. — Lateinisch.
3. (g.) Auslegung des Psalters von Nicolaus de Lyra in der Studienbibliothek in Salzburg (Cod.V, 1,
B. 20). — Deutsch.
4. (10.) Episteln Pauli (ehemals Stadtbibliothek in Wien). Hofbibliothek (Nr. 278g). — Deutsch.
II. Jurisprudenz:
5. (11.) Goldene Bulle (Ms. Ambras. Nr. i38). Hofbibliothek (Nr. 338). — Lateinisch.
6. (12.) Bergrecht für Böhmen (Ms. Ambras. Nr. 3g5). Hof bibliothek (Nr. 2264). — Lateinisch.
III. Naturwissenschaft:
7. (i3.) Astronomische Handschrift (Alfonsinische Sterntafeln). Hof bibliothek (Nr. 2352). — Lateinisch.
Collectaneenhandschrift, zwischen i3g2 und i3gg entstanden.
8. (14.) Astrologische Handschrift des Avenarres. München, Staatsbibliothek (Cod. lat. 826, c. pict. 21).
— Lateinisch.
1 Uebcr die Handschriften König Wenzels haben gehandelt: Hon'ieka in den Mitth. des Inst, für österr. Geschichts-
forschung, Bd. I, S. 107 ff., und Chytil in den Pamätky Archaeologicke, Bd. XIII, 1885 — 1886, Abth. IV, S. 207 und 311.
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Wie hervorragenden künstlerischen Werth auch einige unter Karl IV. ausgeführte Bilderhand-
schriften, wie das Mariale und Orationale des Arnestus, der Liber viaticus des Johann von Neumarkt,
das Lehrbuch der Moral von Thomas Stitny besitzen, wie sehr sie auch im Figürlichen die späteren
handwerksmässigen Leistungen übertreffen, so erhält die Miniaturkunst ihre eigentliche Bedeutung doch
erst unter Wenzel I. (IV.) Während bis jetzt keine einzige Handschrift bekannt ist, welche Karl IV.
direct zum Urheber hätte, geht eine ganze Reihe zum Theil sehr prächtig ausgestatteter Codices auf die
Initiative Wenzels zurück. Sie sind die Reste einer nicht ganz unbeträchtlichen Bibliothek, welche, zum
Theil in deutschen Uebersetzungen, Werke theologischen, juridischen, naturwissenschaftlichen und
poetischen Inhaltes aufwies. Ihre Geschichte ist glücklicher Weise genau zu verfolgen. Die seltensten
und kostbarsten Werke sind nach dem Tode Wenzels 141g in die Hände seines Bruders Sigismund
und durch dessen Tochter Elisabeth (wohl 1437, nach Sigismunds Tode) an Albrecht II. und somit in
den Besitz des Erzhauses Oesterreich gekommen. Friedrich III., der nächste Besitzer, widmete ihnen
grosse Sorgfalt, liess sie revidiren und zum Theile neu binden. Durch seine Descendenz (Maximilian I.,
Ferdinand I.) gelangten sie schliesslich an den grossen Kunstfreund Erzherzog Ferdinand von Tirol,
der sie seiner berühmten Sammlung auf Schloss Ambras einverleibte. 1665 wanderten sie mit den
583 Handschriften, welche Lambecius auf Befehl Kaisers Leopold I. in die Hofbibliothek übernahm,
nach Wien, mit Ausnahme des Willehalm von Oranse, der erst 1806 mit dem Hauptstocke der Ambraser-
Sammlung in das »untere Belvedere« (jetzt Sammlung der kunstindustriellen Gegenstände des neuen
Hofmuseums) kam. Im Laufe der Zeiten hatten sich aber einzelne Werke dieser Bibliothek abgelöst
und waren in verschiedene andere Sammlungen, nach Salzburg, München, ja bis in die Niederlande
hinein versprengt worden.
Die nachfolgende Aufzählung sucht die Bibliothek Wenzels, soweit mir deren Bestand klar ge-
worden ist, zu restituiren. Manches mag noch in dieser oder jener Bibliothek sich finden; bei dem
Charakter dieses Jahrbuches wird man es begreiflich finden, wenn ich das Hauptgewicht auf die in
Wien befindlichen Handschriften lege.1 Ein Verzeichniss der mit wenigen Ausnahmen durchwegs den
behandelten Codices entnommenen Abbildungen sammt Angabe der Provenienz findet man am Schlüsse
dieser Abhandlung.
I. Theologie:
1. (1—6.) Die sogenannte »Wenzelsbibel« in 6 Bänden (Ms. Ambras. Nr. 17). Hofbibliothek (Nr. 275g
bis 2764). — Deutsch.
2. (7—8.) Bibel vom Jahre 1402 des Museum Plantin-Moret in Antwerpen in 2 Bänden. — Lateinisch.
3. (g.) Auslegung des Psalters von Nicolaus de Lyra in der Studienbibliothek in Salzburg (Cod.V, 1,
B. 20). — Deutsch.
4. (10.) Episteln Pauli (ehemals Stadtbibliothek in Wien). Hofbibliothek (Nr. 278g). — Deutsch.
II. Jurisprudenz:
5. (11.) Goldene Bulle (Ms. Ambras. Nr. i38). Hofbibliothek (Nr. 338). — Lateinisch.
6. (12.) Bergrecht für Böhmen (Ms. Ambras. Nr. 3g5). Hof bibliothek (Nr. 2264). — Lateinisch.
III. Naturwissenschaft:
7. (i3.) Astronomische Handschrift (Alfonsinische Sterntafeln). Hof bibliothek (Nr. 2352). — Lateinisch.
Collectaneenhandschrift, zwischen i3g2 und i3gg entstanden.
8. (14.) Astrologische Handschrift des Avenarres. München, Staatsbibliothek (Cod. lat. 826, c. pict. 21).
— Lateinisch.
1 Uebcr die Handschriften König Wenzels haben gehandelt: Hon'ieka in den Mitth. des Inst, für österr. Geschichts-
forschung, Bd. I, S. 107 ff., und Chytil in den Pamätky Archaeologicke, Bd. XIII, 1885 — 1886, Abth. IV, S. 207 und 311.