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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 14.1893

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die Bilderhandschriften Königs Wenzel I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5885#0239
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Dr. Julius von Schlosser.

IV. Poesie:

9. (15.) Wolfram von Eschenbach und dessen Fortsetzer, Epos des Willehalm von Oranse, vom Jahre
1387 (ehem. Ambraser-Sammlung, Nr. 75), jetzt Kunsthistorisches Hofmuseum (Abth. II, SaalXXIII,
Vitrine 1, Nr. 4). — Deutsch.
10. In schulmässigem Zusammenhange steht eine Exposition zu Johannes, für das Stift Hohenfurt ge-
schrieben, und daselbst noch vorhanden, vom Jahre i3g3.

Den vorzüglichsten Schmuck dieser Bücher bilden nicht sowohl ihre selbstständigen figürlichen
Darstellungen sondern ihre reichen und höchst merkwürdigen Randverzierungen, welche auch ihres
besonderen Charakters halber zumeist den Ausschlag für die Zuweisung an Wenzel gaben. Diesen soll
auch im Folgenden, nachdem die Beschreibung der einzelnen Codices erledigt sein wird, die grösste
Aufmerksamkeit geschenkt werden, da die ikonographische Bedeutung zumal der biblischen Bilder in
dieser Spätzeit des Mittelalters doch schon mehr in den Hintergrund tritt.

Das früheste Datum trägt unter diesen Handschriften der Willehalm: 1387, das späteste die Ant-
werpener Bibel: 1402. Innerhalb dieses Zeitraumes dürfte also die Anlegung dieser Bibliothek ihrem
Hauptbestande nach fallen.

Die Bibliothek König Wenzels bildet in Deutschland das einzige bis jetzt bekannte Analogon zu
den grossen Büchersammlungen, welche gerade um diese Zeit französische Herren, wie König Karl V.,
die Herzoge Johann von Berry, Ludwig von Anjou und die Burgunder anlegten und deren Inventare,
die erste Aeusserung der französischen Bibliophilie, uns noch erhalten sind.1 Für die Ausschmückung
dieser Bücher war ein ganzer Hofstaat trefflich geschulter »enlumineurs« thätig, von denen wir einzelne,
wie Jacquemart de Hesdin, Pol de Limburg und Andere, mit Namen kennen. Auch dazu bietet der Hof
Wenzels die genaueste Analogie, ein neuerlicher Beweis, welchen mächtigen Einfluss französisches
Wesen noch auf diesen späten Luxemburger hatte, der uns in vielen anderen Dingen, mit seinem ewigen
Durste wie in den derben Aeusserungen seines Humors, recht germanisch anmuthet.

1 Barrois, Bibl. protypographique, Paris i83o; Bastard, Librairie de Jean de France, Paris l83o; Beauvoir, Librairie
de Jean duc de ßerry, Paris 1860; Laborde. Les ducs de Bourgogne.

Aus frühmittelalterlicher Zeit wäre (von den Büchereien der Klöster natürlich abgesehen) etwa die reiche Bibliothek
Grat Eberhards von Friaul zu nennen, deren Inventar, zumeist theologische Werke enthaltend, in seinem Testamente von
8C7 (siehe meine Schriftquellen zur Geschichte der karolingischen Kunst, Nr. 652) niedergelegt ist und die sich zum Theile
noch in die Municipalbibliothek von Boulogne gerettet hat.
 
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